: Töpfers Ei des Kolumbus
Mit der Schaffung eines Bundesamtes für Reaktorsicherheit soll im Strudel der allgemeinen Hanau-Empörung ein lange geplantes Regierungsvorhaben verwirklicht werden. Das Bundesamt, das jetzt als Ausweg aus der Krise verkauft wird, war in Wahrheit lange vor den Hanauer Vorgängen eingefädelt worden. Unter dem einhelligen Beifall der versammelten bundesdeutschen Atomwirtschaft stellte Töpfers Ministerialer, Walter Hohlefelder, das neue Amt vor. Er wies ausdrücklich auch auf die zwischen der Bundesregierung und der NRW-Landesregierung umstrittene Inbetriebnahme des Schnellen Brüters in Kalkar hin. Mit Blick auf die Düsseldorfer Widersacher sagte er wörtlich: „Man kann nicht bei Transnuklear die Maßnahmen der Bundesaufsicht beschwören und sie beim Schnellen Brüter als Instrument zur Entmündigung der Länder diffamieren.“ Mit anderen Worten: Das neue Bundesamt soll widerspenstige Landesregierungen zähmen.
Im vergangenen Dezember hatte ein Töpfer-Sprecher erklärt, man überlege „in allen möglichen Kreisen und Gremien in Bonn“, wie ein jahrelanger Rechtsstreit um die Brüter-Inbetriebnahme vermieden werden könne. Dabei werde auch über die Möglichkeit einer Änderung des Atomrechts nachgedacht. Das neue Bundesamt soll sich, so Hohlefelder, mit den drei Bereichen Sicherheit von Atomanlagen, Strahlenschutz und Endlagerung beschäftigen. Es soll offenbar aus den „Expertengremien“ Strahlenschutzkommission (SSK) und Reaktorsicherheitskommission (RSK) hervorgehen, die das Bundesumweltministerium bisher nur beraten.
Begründet wird die den Ländern übergeordnete Genehmigungsbehörde damit, daß „die politische Verantwortung des Bundes für den Vollzug des Atomgesetzes mit seiner rechtlichen Stellung gegenüber den Ländern nicht deckungsgleich“ sei. Mit anderen Worten: Der Bund müsse bei Unzulänglichkeiten zwar den Kopf hinhalten, habe aber nicht die Möglichkeit, seine Vorstellungen gegenüber den Ländern durchzusetzen. Diese Sicht der Dinge hat sich in Bonn gerade in dem Moment durchgesetzt, wo erstmals in der bundesdeutschen Atomgeschichte ein Land – Nordrhein-Westfalen beim Brüter in Kalkar – nicht so will wie Bundesregierung und Atomwirtschaft.
SSK und RSK setzen sich vornehmlich aus Vertretern der Atomwirtschaft und –forschung zusammen. In der RSK sind das Kernforschungszentrum Karlsruhe und die Kernforschungsanlage Jülich ebenso vertreten wie der Geschäftsführer des AKW Philippsburg und die AKW-Leute des TÜV. Damit wären wunderbare Interessensüberschneidungen vorprogrammiert, wenn das künftige Bundesamt aus RSK und SSK hervorginge oder diese Kommissionen seine Fachberater würden. Beispiel Brüter: Vom TÜV und vom Kernforschungszentrum Karlsruhe im Auftrag der Brüterhersteller angefertigte Sicherheitsgutachten werden derzeit von der nordrhein-westfälischen Genehmigungsbehörde als nicht ausreichend zurückgewiesen. In einem solchen Fall würde in Zukunft das neue Bundesamt entscheiden – beraten von Gutachtern derselben kritisierten Institutionen selbst.
Derlei Konstruktionen sind schon heute keine Phantasiegebilde: Mit dem ausdrücklichen Hinweis auf noch andauernde Beratungen in der RSK hat das Töpfer-Ministerium die Düsseldorfer Genehmigungsbehörde bereits im vergangenen Jahr in mindestens zwei Fällen gedrängt, auf zusätzliche Gutachten, vor allem von Brüter-Kritikern, vorerst zu verzichten. Mit Erfolg: In beiden Fällen glaubte man in Düsseldorf, sich den „Bitten“ aus Bonn nicht entziehen zu können, obwohl die RSK im geltenden Atomrecht gar nicht auftaucht. gero
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