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Niemand hört auf Daten-Baumann

Der oberste Datenschützer der Republik legte gestern seinen Jahresbericht vor / Vor allem der Innenminister schert sich nicht um Einwände / Kontrolle des BND war wegen Personalmangels nicht möglich  ■ Aus Bonn Ursel Sieber

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Reinhold Baumann (CDU) hat gestern in Bonn seinen Jahresbericht vorgestellt: Wie jedes Jahr warf der Datenschützer den Sicherheitsbehörden „zahlreiche Verstöße“ vor, fügte aber sogleich hinzu, daß sich die Beanstandungen „im Rahmen des Vorjahres halten“. Skeptisch äußerte sich Baumann zu den neuen Gesetzesvorhaben aus dem Hause von CSU-Innenminister Zimmermann: „Die Entwürfe genügen den Anforderungen des Datenschutzes im Ganzen nicht“. Und: Die Vorhaben „laufen darauf hin aus, die bisherige Praxis zu legitimieren und zu erweitern“, sagte der Datenschützer. Etwas pikiert stellte Baumann fest, daß ihm die Entwürfe erst vor kurzem „zur Kenntnisnahme“ zugesandt worden sind.

In seinem Tätigkeitsbericht wird an vielen Stellen deutlich, wie überfordert die Bundesdatenschützer sind: In diesem Jahr sei ihm zwar eine weitere Stelle bewilligt worden, sagte Baumann. Aber der Personalstand liege noch immer unter dem des Jahres 1977. Zwischen den Zeilen ließ Baumann durchblicken, daß deshalb zum Beispiel beim Bundesnachrichtendienst nichts passiert ist: Er hatte geplant, eine 1986 eingeleitete Kontrolle fortzusetzen und wollte sich gleichzeitig an der Erstellung einer Dienstvorschrift beteiligen, durch die „der von der Datenverarbeitung betroffene Personenkreis umschrieben und eingegrenzt wird“. Aus „Kapazitätsgründen“ ließen sich beide Vorhaben „nur ansatzweise“ verwirklichen, heißt es in dem Bericht.

In dem Bericht wird auch immer wieder deutlich, wie wenig Kompetenzen der Datenschützer in den wesentlichen Punkten hat: Baumann monierte, daß das BKA weiterhin Daten im Informationssystem NADIS speichere, und zwar ausschließlich zum Zwecke einer (automatisierten) Übermittlung von Daten an die Verfassungsschutzbehörden. Er, Baumann, habe dies gegenüber Zimmermann zwar beanstandet, doch der Innenminister habe die Kritik abgewiesen; der „Verbund“ werde fortgeführt. Bei den sogenannten „Sicherheitsüberprüfungen“, die das Bundesamt für Verfassungsschutz durchführt, wollte der Innenminister grundsätzlich an der Speicherung personenbezogener Daten festhalten, und diese Datenbank sogar auf die „Spionageabwehr“ erweitern, obwohl er gegen diese Praxis starke Einwände vorgebracht habe. Dies betreffe „eine Vielzahl Beschäftigter des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft“, sagte Baumann.

Der Datenschützer machte ferner darauf aufmerksam, daß Daten von VolkszählungsgegnerInnen in der seit Januar 1986 vom BKA angelegten Datei APIS gespeichert würden: APIS werde als Verbundsystem von Bund und Ländern betrieben, mit dem Ziel, daß alle Informationen, die über eine Person vorhanden sind, zusammengefügt werden. APIS sei auf Staatsschutzdelikte abgestellt. Er könne aber nicht erkennen, warum eine Person, die zum Beispiel einen Volkszählungsbogen beschädigt habe, als „Verfassungsfeind“ eingestuft werde.

Baumann geht im März

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Baumann wird nach Auslauf seiner regulären Amtszeit im Frühjahr dieses Jahres nicht noch einmal für dieses Amt zur Verfügung stehen. Ein Sprecher des Datenschutzbeauftragten erklärte gestern auf Anfrage, das sei ein ganz normaler Vorgang, der allein mit einer persönlichen Entscheidung des 64jährigen Baumann zu tun habe. Spekulationen, daß Bundesinnenminister Zimmermann den bayerischen Datenschutzbeauftragten Oberhauser als Nachfolger haben will, wurden nicht bestätigt. Aus Kreisen der FDP verlautete gestern, Oberhauser werde man mit einiger Sicherheit nicht mittragen. Ve.

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