Lebenslang für „Birmingham Six“ festgeklopft

Londoner Berufungsgericht bestätigt lebenslängliche Haftstrafen gegen die „Birmingham Six“ für Terroranschlag von 1974 / Beziehungen zwischen London und Dublin erheblich belastet / Heftige Proteste in Irland / Letzte Chance: Revisionsantrag vor dem Oberhaus  ■ Aus London Rolf Paasch

Ein britisches Berufungsgericht hat am Donnerstag das Urteil gegen sechs Iren bestätigt, die vor 13 Jahren für den bisher schwersten Terroranschlag der IRA zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden waren. Die Bestätigung des damaligen Urteils trotz erheblicher Zweifel an der Schuld der Verurteilten hat zu einer schweren Belastung im Verhältnis zwischen Großbritannien und der Republik Irland geführt. In den Beziehungen beider Länder war es bereits Anfang der Woche zu erheblichen Spannungen gekommen, nachdem der britische Kronanwalt am Dienstag bekanntgegeben hatte, daß gegen Beamte der nordirischen Polizei, die 1982 an der Erschießung von sechs unbewaffneten Iren beteiligt gewesen waren, im Interesse der Sicherheit Großbritanniens keine Anklage erhoben werde. Die irische Regierung unter Premierminister Haughey hatte daraufhin gleich eine Sondersitzung der anglo-irischen Kommission beantragt, die kommende Woche stattfindet. Dort will der irische Außenminister gegen die Verletzung des anglo-irischen Vertrags protestieren, in dem die Schaffung des Vertrauens der katholischen Bevölkerungsminderheit in die britischen Sicherheitskräfte als Ziel britischer Politik formuliert wird.

Nach Bestätigung des Urteils gegen die sogenannten „Birmingham Six“ dürften nun auch in der Republik Irland die letzten Reste des Vertrauens in die britische Justiz zerstört worden sein. In ihrer Urteilsbegründung erklärte das Richtertrio unter Vorsitz von Lord Chief Justice Lane, der Antrag der Iren auf eine Neueröffnung des gesamten Verfahrens sei eine absurde Forderung. Die Richter zogen es vor, sämtliche Zeugenaussagen, die Zweifel an der Schuld der Verurteilten auftauchen ließen, zu ignorieren. Über die Fragwürdigkeit des zur Überführung der sechs angewandten forensischen Testes sahen sie ebenso hinweg, wie über die widersprüchlichen Aussagen des Beamten, der den Test damals durchgeführt hatte und längst wegen Unzuverlässigkeit aus Regierungsdiensten entlassen worden ist.

Die in der Berufung neu auftretenden Polizeizeugen, welche die Mißhandlung der Verdächtigen in Polizeigewahrsam beschrieben hatten, wurden vom Gericht als unzuverlässig und unglaubwürdig bezeichnet. Auch die Tatsache, daß der Journalist und Labour- Abgeordnete Chris Mullin, dessen Recherchen die Berufungsverhandlung herbeigeführt hatten, in Dublin mit einem Mann zusammengetroffen war, der sich als der wirkliche Attentäter bezeichnet hatte, machte auf die Herren in ihren Perücken wenig Eindruck. Mullin sprach nach dem Urteil von einem „schwarzen Tag für die britische Justiz“.

Obwohl die Verteidigung der Sechs sogleich Antrag auf Berufung vor dem höchsten Gericht des Landes, den Law Lords des Oberhauses, beantragte, stehen die Chancen auf eine Aufhebung des Urteils nach der Entscheidung vom Donnerstag äußerst schlecht. Nach der Bestätigung des wohl offensichtlichsten Justizirrtums Großbritanniens können die Sechs von Birmingham wohl nur noch auf eine Freilassung auf dem Gnadenwege hoffen, wie sie von vielen irischen Politikern jetzt gefordert wird.