Waldheim muß bleiben!

■ Österreichs Bundespräsident erneut schwer belastet

Es mutet an wie ein alter Volkstanz: Ein paar kleinere Erkenntnisse über die Vergangenheit des ehemaligen Oberleutnants Kurt Waldheim treten vor, er macht ein paar Schrittchen zurück, ein wenig Gras wächst drüber, wieder ein paar kleine Erkenntnisse, wieder ein Stückchen zurück... Zwei Jahre nach dem Beginn der Waldheimaffaire und zehn Tage vor der geplanten Übergabe des Berichts der Historikerkommission erwartete niemand mehr so recht die eine große Erkenntnis, die Waldheim zum Rücktritt bewegen würde. Wenn es das Lügen nicht war, warum sollte es das Mitwissen sein? Und wenn es das Mitwissen nicht war, muß auch das Mittun noch kein zwingender Grund sein. Das Spiegel-Dokument ist somit nur einer von vielen möglichen Rücktrittsgründen. Waldheims Unterstützer, die bislang immer neue Argumente gefunden, immer neue Meßlatten angelegt haben, zeigen sich dieses Mal allerdings auffällig zurückhaltend. Sind sie müde?

Ihrer politischen Ansichten wohl kaum. Aber ein neues Datum naht: Im März jährt sich zum 50. Mal der Anschluß Österreichs an das Dritte Reich. Mit diesem Gedenktag droht ein neuer Höhepunkt der Peinlichkeiten: Wie würde sich ein Präsident machen, der während der ohnehin schon kitzligen Manöver zur Vermeidung einer Aufarbeitung der eigenen Geschichte zum Schweigen verdonnert werden müßte, wie schon jetzt geplant? Lieber noch ein rechtzeitiger Sturz des Präsidenten und anständige öffentliche Feiern ohne Aufruhr. Daß Waldheim „jetzt erst recht“ zum Präsidenten gewählt wurde, war eine Art, die Vergangenheit zu begraben. Ein Rücktritt vor dem Jahrestag des Anschlusses wäre eine andere. Antje Bauer