Links von der Sozialdemokratie?

■ Die neue „Sozialistische Partei“ der Türkei stößt in der türkischen Linken auf Mißtrauen

Istanbul (taz) „Endlich haben wir jetzt auch unsere Sozialistische Partei“, meldete die türkische Tageszeitung Söz halb spöttisch über die Gründung der Partei gleichen Namens. Parteiprogramm, Gründungserklärung und Namen der Gründungsmitglieder sind dem Innenministerium übergeben worden, die Partei ist somit durch und durch legal, und selbst das Parteiemblem ist schon auserkoren: Ein Werktätiger hält symbolträchtig die Sonne in der Hand. Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Volkspartei, Erdal Inönü, begrüßte unterdessen die Gründung einer Partei „links von der Sozialdemokratie.“

Einige Muß-Forderungen der türkischen Linken sind im Parteiprogramm vertreten: Austritt aus der NATO, Bodenreform, Abschaffung der Folter und der Todesstrafe. Auch grün-ökologische Motive haben Eingang in das Parteiprogramm gefunden. Andere Programmpunkte sind innerhalb der türkischen Linken höchst umstritten. So fordert die Partei beispielsweise die Militärpflicht für Frauen, und in puncto Nationalisierung ist nur vom „ausländischen Kapital“ die Rede. „Anerkennung des Privateigentums, welches durch Arbeit erworben wurde“, gehört wohl zu den skurrilen Punkten im Programm. Die Parteigründung – zwei Monate nach Inhaftierung der aus dem Exil zurückgekehrten KP-Führer – wird von der türkischen Linken scharf kritisiert.

Die Parteigründer kommen fast ausschließlich aus den Reihen der „Türkischen Arbeiter- und Bauernpartei“, einer ML- Gruppe, die im Rahmen der damals populären Drei-Welten- Theorie den Putsch der türkischen Militärs 1980 gegen den „Sowjetimperialismus“ begrüßt hat. Ihre Führer – die heute die Gründungsmitglieder der Sozialistischen Partei stellen – verteidigten unmittelbar nach dem Putsch in feierlichen Worten „unsere Nation, unseren Staat und unsere Armee“. Während nach dem Putsch die KP und andere unabhängige Gruppen der Linken gewaltsam zerschlagen wurden und die führenden Funktionäre bis heute in den Knästen sitzen, kam die „Türkische Arbeiter- und Bauernpartei“ recht ungeschoren davon.

Die neugegründete Sozialistische Partei gibt sich offen und fordert alle Sozialisten auf, in ihr mitzuwirken. Doch viele schreckt die politische Biographie der Gründer. Die jüngste Vergangenheit ist unvergessen. Ob die recht staatstreue Partei tatsächlich eine „Alternative zum herrschenden System darstellt“, wie der neugewählte Vorsitzende Perit Ilsever meint, ist mehr als zweifelhaft. öe