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Koalition von BRD und DDR

■ Die bundesdeutsche Presse von FR bis FAZ zeigt sich erleichtert über die Freilassung und Ausbürgerung der DDR-Oppositionellen Stephan Krawcyk und Freya Klier

Als „Sieg der Vernunft“, wird die Freilassung und Ausbürgerung von Stephan Krawcyk und Freya Klier ins fast allen bundesdeutschen Zeitungen gefeiert. Für die Frankfurter Rundschau hat dieser „Sieg der Vernunft“ viele Väter. Da ist zunächst einmal die SED, die über ihren eigenen Schatten gesprungen ist, wohl zum ersten Mal in der Ära Honecker. Da ist zum anderen das Gespann Anwalt Vogel – Staatssekretär Rehlinger (Bonn), die im geübten Krisenmanagment Schaden von den deutsch- deutschen Beziehungen abgewendet haben. Der dritte Sieger ist die evangelische Kirche, die ihre Mittlerrolle zwischen Staat und Bürgern nutzte... Hat die SED dazugelernt. Da wird man wohl ja sagen können....“

„Der Rückfall – gerade noch gestoppt“, schreibt die Süddeutsche Zeitung, „Das deutsch- deutsche Räumkommando für schwierige Fälle, der Ostberliner Rechtsanwalt Vogel und der Staatssekretär im innerdeutschen Ministerium, Ludwig Rehlinger, konnte, so scheint es, den Sprengsatz, der sich in der DDR angesammelt hatte, entschärfen;... Was den Zwischenfall zu einer Affäre machte, die offensichtlich drohte, den Kurs einer begrenzten Beweglichkeit zu demolieren, ist das Dilemma dieser Politik selbst.

Leichteres Ausreisen, mehr Besuchsmöglichkeiten im Westen, die Rehabilitierung ganzer Partien deutscher Geschichte, schließlich auch die Freiräume, die der Kirche zugestanden wurden: Das alles kann, gewiß doch aufgestaute Unzufriedenheiten abbauen. Aber zugleich damit schwinden die Ängste, lockert sich die Bereitschaft, sich ins Bestehende einzufügen, löst sich Stück für Stück das Unterfutter der Herrschaft von Partei und Staat auf. Das ist es, was die neue Unruhe in der DDR anzeigt;...“

Und die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)? Sie sieht „Die größte Koalition“ und schwärmt in ihrem Kommentar: „Genau ins Auge zu fassen ist jedoch schon heute die erstaunliche Koalition, die sich unter dem Druck der Ereignisse plötzlich zusammenfand. Sie reichte von der Bundesregierung samt Opposition über die evangelische Kirche in der DDR bis zur Ost-Berliner Führung und – wenn man will – sogar über diese hinaus bis nach Moskau. Alle wollten „Ruhe im Land“. Hat es schon einmal so eine große Koalition gegeben? Doch ist sie zu unnatürlich, als daß sie für eine dauerhafte Bewältigung der unvermittelt sichtbar gewordenen Schwierigkeiten bürgen könnte....“ Das Bedauern des Kommentators darüber, daß die Koalition für „dauerhafte Bewältigung“ nicht reicht, ist nicht zu überlesen.

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