Neue Spuren des U-Boo-Geschäfts mit Südafrika

Heute will der Untersuchungsausschuß zur Aufklärung des U-Boot-Geschäfts mit Südafrika den Vorstandschef von HdW vernehmen / Indizien sprechen für eine Lieferung von U-Boot-Teilen – oder zahlte Südafrika 45 Millionen DM für Altpapier und Kochtopf-Blech?  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Einmal hat der U-Boot-Ausschuß sie schon nach Bonn geholt. Einmal haben sie die Aussage verweigert und sich mit dem Hinweis auf die noch laufenden Ermittlungen der Kieler Oberfinanzdirektion (OFD) aus der Affäre gezogen. Heute versuchen die Abgeordneten im Bonner U-Boot-Ausschuß nun ein zweites Mal ihr Glück: Sie wollen Klaus Ahlers, ehemals Vorstandsvorsitzender der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HdW/Kiel) sowie die HdW-Vorstandsmitglieder Jochen Rohde und Peter Hansen-Wester zum U- Boot-Geschäft mit Südafrika vernehmen. Auf die OFD können sich die Firmen-Manager wohl kaum mehr berufen: Sie hat das Bußgeldverfahren Mitte Januar eingestellt.

Damit dürfte es also wieder spannend werden im Untersuchungsausschuß. Gerade weil die OFD nun den Firmen HdW und das Ingenieurkontor Lübeck (IKL) einen Persilschein ausgestellt hat, sind die Abgeordneten umso mehr gefordert, die vielen Widersprüche aufzuklären. Und die sind zahlreicher denn je. Die OFD hat zwar bestätigt, daß die Südafrikaner etliche U-Boot- Konstruktionspläne erhalten haben. Doch sie behauptet gleichzeitig, daß „die gelieferten Unterlagen nicht ausreichen, um damit ein U-Boot oder wesentliche Teile davon zu bauen“. Deswegen stellte die OFD das Verfahren ein. So wurden nicht einmal die ursprünglich erwogenen die mickrigen Bußgelder von je 50.000 DM verhängt.

45 Millionen für wertloses Papier?

Demnach hätten die Südafrikaner 45 Millionen DM für wertlose Blaupausen an HdW und IKL überwiesen. Und die 5,34 Tonnen Spezialstahl „in der Stärke wie sie für U-Boot-Druckkörper verwendet werden“, hätten die Südafrikaner zur Herstellung von „Kochtöpfen“ bestellt, wie Norbert Gansel (SPD) bemerkte. Daß der Spezialstahl an die südafrikanische Firma Sandock ging, wird in den OFD-Akten ausdrücklich bestätigt. Und noch eine weitere Lieferung hat HdW an Sandock getätigt. Aber in den Akten, die der Ausschuß von der OFD erhalten hat, ist diese Stelle geschwärzt. Was da nach Südafrika ging, sollte der Ausschuß also nicht wissen. Die OFD-Prüfer haben sich von den Firmen auch in anderer Hinsicht einlullen lassen: Dem HdW- Ingenieur Gerd Rademann wurden zwar die Umzugskosten nach Südafrika aus dem U-Boot-Topf „IK 97“ von HdW bezahlt. Aber die OFD-Prüfer haben dennoch dem Ingenieur Rademann geglaubt, als der angab, er sei für ein „Offshore“-Projekt zur Gasumwandlung von der Firma „Sandock“ abgeworben worden.

Es gibt viele Indizien dafür, daß Südafrika mit den gelieferten Unterlagen nicht nur U-Boote baut oder zumindest dazu in der Lage ist, sondern daß neben den Blaupausen, auch U-Boot-Teile geliefert worden sind. So schrieb die OFD in dem ersten internen Entwurf vom April 1986 ihres Prüfberichts: „Die Firmen schlossen am 15.6.84“ einen Vertrag über die Lieferung von Fertigungsunterlagen und Lizenzen im Werte von 160 Millionen DM sowie über die Durchführung technischer Hilfe im Werte von 307 Millionen DM für den Bau von 4 U-Booten“. Genau das erzählte auch der IKL-Geschäftsführer Lutz Nohse den OFD_Prüfern: „Der Vertrag habe die sogenannte kleine Lösung, das heißt die Lieferung von Fertigungsunterlagen und Lizenzen zum Preise von 160 Millionen DM sowie die Lieferung von Komponenten zum Preis von weiteren 307 Millionen DM umfaßt. Der Käufer habe vier U-Boote des Typs 1500 bauen wollen, für die auch die erwähnten Komponenten geliefert werden sollten“. Das notierten die OFD-Prüfer am 28.Januar 1986. Einige Monate später, im zweiten Prüfbericht vom Dezember 1986 taucht diese Aussage allerdings gar nicht mehr auf: Da spricht man nur noch von einem Vertrag über die Lieferung von Blaupausen im Wert von 116 Millionen DM.

Geheimvertrag abgeschlossen?

War die OFD im April der Wahr heit näher war als im Dezember? Daß IKL-Geschäftsführer Nohse bei seiner ersten Vernehmung von einem sehr viel umfangreicheren Vertragswerk sprach, mag andeuten, daß es ein zweiter Geheimvertrag über die Lieferung von U- Boot-Teilen existiert. Und im U- Boot-Ausschuß wird spekuliert, dieser Vertrag könnte sich bei den Firmen-Akten befinden, die dem Ausschuß seit Monaten vorenthalten werden. Außerdem gibt es jenen Brief, den IKL am 6.April 1984 an die südafrikanische Vertragsfirma „Sandock“ schickte, der ebenfalls auf zwei Verträge hinweist: „Die wesentlichen Bedingungen in unserem Vertragsentwurf für die Aktivität 34i (die kleine Lösung, die Red.) gehören zu unserem Papier, das wir den zuständigen Behörden vorgelegt haben. Die deutschen Behörden könnten jetzt verlangen, daß der 34i Vertrag vorgelegt wird, und in diesem Fall wäre die Koppelung mit 34 (der mittleren Lösung, die Red.) aus bestimmten Gründen nicht geeignet“.

In einem Nohse-Vermerk sind auch all die Zulieferer-Firmen aufgelistet, die an den U-Boot- Teilen verdienen sollten: MTU sollte Dieselmotoren, Maschinenbau Gabler die Ausfahrgeräte, Krupp/Atlas die Akustischen Ortungsgeräte, Siemens die Elektroanlagen, Zeiss die Sehrohre und HdW die Stahlbauteile liefern. Versandt worden ist nach den Ermittlungen der OFD davon nichts. Allerdings hat die OFD auch nur zwei Firmen überprüft. Und merkwürdig ist, daß in den OFD- Akten alle Hinweise auf die Geschäftsbeziehungen von „Sandock“ mit deutschen Firmen geschwärzt sind. Die Auslieferung der U-Boot-Teile sollte ohnehin erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen: Aus Firmenunterlagen geht hervor, daß zuerst MBB/Bremen im Jahre 1989 einen Tiefensimulator beisteuern sollte.

Manches deutet darauf hin, daß die Lieferungen an Südafrika keineswegs am 26.August 1985 eingestellt wurden, wie das HdW behauptet. Denn für die Abwicklung des gesamten U-Boot-Geschäfts haben die Firmen zur Tarnung offenbar eine „Cover Story“ entwickelt. So heißt es in einem Strategiepapier von „Sandock“: „Sollten Informationen darüber an die Öffentlichkeit gelangen, ist der Eindruck zu erwecken, daß die Bauphase des Programms auf unbestimmte Zeit verschoben wird“. Und: „IKL und HdW werden gebeten, Einzelpersonen in der westdeutschen Regierung zu informieren und ihnen zu versichern, daß diese Vorgehensweise gwählt wurde, um jedes nur denkbare Risiko einer Enthüllung auszuschalten; daß das Programm tatsächlich nicht verzögert wird; daß im Gegenteil die Hoffnung besteht, daß die Bauphase sogar noch beschleunigt wird“. Die Einzelheiten dieser „cover story“ muß der Ausschuß erst noch herausfinden.

Geldtransfers im März 1987

Es gibt noch andere Anzeichen, daß die Lieferungen weitergingen. Das Modell zum Beispiel, ohne das Südafrika die U-Boote gar nicht bauen könnte: Im Bundestag zählte die grüne Abgeordnete Uschi Eid mehrere Indizien auf, wonach das Baumodell am 15.Dezember 1986 über Isreal nach Südafrika ausgeliefert worden sei. Und der „Vermittler“ in Kapstadt, Karl Friedrich Albrecht, hat am 14.Oktober 1986 noch 983.100 DM Provision erhalten – Über ein Jahr später also, nachdem der Vertrag angeblich gekündigt worden ist. Und erst jetzt wurde bekannt, daß HdW sogar im März 1987 noch einmal zwei Millionen DM von der südafrikanischen Firma erhalten hat. Dafür gebe es nur zwei Erklärungen, sagte Norbert Gansel (SPD): Die Höhe der Zahlung entspreche genau der vereinbarten Lizenzgebühr, die Südafrika vertragsgemäß für das erste, im eigenen Lande mit Hilfe deutscher Pläne gebaute U-Boot zahlen müsse. Oder die Südafrikaner hätten damit den Erhalt des Baumodells honoriert.

Schließlich existiert da noch die Studie, die von HdW und IKL am 1.April 1985 fertiggestellt wurde, um die Machbarkeit des U- Boot-Baus in Südafrika nachzuweisen: „Die Konstruktionsunterlagen für ein U-Boot und die Bauzeichnungen des Typs 1500 stehen in Südafrika zur Verfügung“, heißt es darin. Dies nährt den Verdacht, daß die Pläne bereits alle in Südafrika waren, als die Firmen-Manager im Juni 1985 bei Wirtschaftsminister Bangemann vorsprachen. Ein Vorstands-Mitglied der HdW, Hansen-Wester, gab am 9.April 1987 bei der OFD zu Protokoll, daß Bangemann von den Firmen die Einstellung des Projekts gar nicht verlangt habe.

Diese Aussage verweist auf einen Aspekt der Affäre, den der Ausschuß erst noch zum Thema machen muß: Die Komplizenschaft der Politik. Die Firmen- Manager behaupten in ihren Papieren, für das U-Boot-Geschäft sei aus Bonn politische Zustimmung signalisiert worden. Im Mittelpunkt stehen jene Telefonnotizen, die IKL und HdW nach Gesprächen mit dem damaligen Kanzleramts-Chef Schreckenberger angefertigt haben: Schreckenberger habe die „mittlere Lösung“ befürwortet, und er, Nohse, habe ihm mitgeteilt, das „seien für uns die ersten direkten Erklärungen von höchster Stelle, die uns ermutigen“. Schreckenberger hat diese Darstellung natürlich bestritten, und es dürfte spannend werden, wenn die Firmenvertreter dazu heute befragt werden. Auch die OFD hatte offenbar Zweifel an Schreckenbergers Dementis. Sie betonte, der Kanzleramts-Chef hätte den Firmen sein Nein schriftlich mitteilen müssen.

Stoltenberg im Blickfeld

Und da sind die Provisionszahlungen: Insgesamt 2,212 Millionen DM sind in mehreren Tranchen an den in Kapstadt lebenden „Vermittler“ Karl Friedrich Albrecht geflossen. Zahlungen, die „entsprechend unserer Vereinbarung, ausschließlich zur Weiterleitung bestimmt sind“ (so IKL-Chef Lohse). Aber an wen sind diese Gelder (in diesem Fall ging es um einen 500.000 DM-Abschlag) weitergeleitet worden? Mit diesem Thema hat sich der Ausschuß noch gar nicht beschäftigt. Auch die OFD ist über dieses Provisionszahlungen gestolpert. In der ersten, internen Fassung sprach die OFD sogar von „einer Art Schmiergeld“.

Auch die OFD und ihr oberster Dienstherr, Finanzminister Stoltenberg wird nun ins Blickfeld rücken: Die OFD sei von den Firmen und von der Bundesregierung „in massivster Form bedrängt“ worden, um einen Freispruch zu erwirken, sagte Uschi Eid in der letzten Bundestagsdebatte zum U- Boot-Handel. Denn Stoltenberg gehört zu jenen drei Ministern, die bereits 1983 im Besitz des sogenannten „Memos“ waren – jener Vorlage für den Bundessicherheitsrat, in der der Dokumentenschmuggel über die südafrikanische Botschaft bereits erwähnt ist.

Aber einen großen Sprung voran kommt der Ausschuß wohl erst, wenn alle Akten da sind: HdW und IKL weigern sich bis heute, den Abgeordneten die entsprechenden Unterlagen vollständig herauszugeben. Die Grünen wollen heute im Bundestag Finanzminister Stoltenberg auffordern, „durch entsprechenden politischen Druck die Herausgabe der Akten zu erwirken“. Denn HdW befinde sich zu 75 Prozent im Besitz des bundeseigenen Salzgitter-Konzerns. Die Erfolgsansichten dafür sind freilich gering. Deshalb wird jetzt beim Amtsgericht Bonn beantragt, die Akten zu beschlagnahmen.