Krawczyk: Ich will in die DDR zurück

■ Krawczyk und Klier zur Ausreise gezwungen / Bislang keine weiteren Haftentlassungen

Berlin (taz) – Stephan Krawczyk und Freya Klier sind im Gefängnis mit massivem Druck zur Ausreise in die Bundesrepublik gezwungen worden. Beide wollen möglichst bald in die DDR zurückkehren. „Wir haben die DDR nicht freiwillig verlassen. Unsere Alternativen waren: entweder Haftstrafen von zwei bis zwölf Jahren unter dem ungeheuerlichen Vorwurf landesverräterischer Beziehungen oder die sofortige Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland“, erklärte der Liedermacher Krawczyk gestern.

Am Abend zuvor hatte der von der Kirche beauftragte Rechtsanwalt des Ehepaares, Schnur, behauptet, die Ausreise der beiden sei „freiwillig“ und „aus persönlichen Gründen“ erfolgt. Der Ost- Berliner Rechtsanwalt Vogel hatte erklärt, daß alle am Rande der Rosa Luxemburg-Demonstration Inhaftierten noch in dieser Woche freigelassen würden. Sie hätten die „freie Wahl“, in die Bundesrepublik auszureisen oder in der DDR zu bleiben.

Gestern morgen stellte das Künstlerehepaar sich erstmals seit seiner Ankunft im Westen der Presse, um eine kurze Erklärung vorzutragen. „Wir fordern, in die DDR zurückkehren zu können, um unsere Arbeit als Künstler dieses Landes fortzusetzen“, las Krawczyk unter dem Blitzlichtgewitter der Fotographen mit tonloser Stimme vor. „In einer extremen Zwangssituation“ hätten sie den Ausreiseantrag unterschrieben. „Eine freie Entscheidung über Bleiben oder Gehen ist aber nur außerhalb der Gefängnismauern möglich“. Weitere Erklärungen lehnten beide ab.

Gegenüber der taz erklärte der Liedermacher, es sei jetzt das Wichtigste, daß „die Bewegung in der DDR weitergeht, daß die sich Gedanken machen und diskutieren. Wenn ich jetzt von außen kommentiere, nehme ich ihnen vollkommen den Wind aus den Segeln. Wenn die Bewegung in der DDR jetzt nicht weitergeht, dann wird die DDR-Führung immer wieder diesen einen Weg gehen. Unsere Erklärung fordert zur weiteren Auseinandersetzung mit diesem furchtbaren Problem auf, daß es scheinbar nur diese eine Möglichkeit gibt in diesem Land: wer sich kritisch äußert und sich nicht an die Regeln hält, muß in den Westen gehen.“ Im Knast, so berichteten gut informierte Kirchenkreise gestern, habe man dem Künstlerehepaar klargemacht, daß sie nach ihrer Ankunft im Westen besser schweigen sollten, um die noch einsitzenden Oppositionellen nicht zu gefährden. Die Freilassung von Ralf Hirsch, Bärbel Bohley, Regine und Wolfgang Templin, Werner Fischer, Andreas Kalk, Till Böttcher und Vera Wollenberger ist zwar vom DDR- Rechtsanwalt Vogel noch für diese Woche angekündigt, bislang weiß jedoch niemand, ob auch sie mit massivem Druck zur „freiwilligen“ Ausreise in den Westen gezwungen werden sollen. Bis gestern nachmittag war noch keiner der übrigen Inhaftierten auf freiem Fuß. Auch in der DDR- Presse gab es keinerlei Anzeichen dafür, daß die SED-Führung jetzt auf die sanfte Linie umschwenken wird – im Gegeteil: Das Zentralorgan Neues Deutschland verstärkte den Druck auf westliche Journalisten, die in Ost-Berlin akkreditiert sind. Es sei kein Zufall, daß manche von ihnen immer rechtzeitig zur Stelle seien, wenn „bestimmte Kräfte in der DDR irgendwelche Provokationen zu starten versuchen“.

Fortsetzung auf Seite 2