Erleichterung und Jubel in Managua Die Opposition hält sich zurück

Hunderte von Freiwilligen aus den USA, die in Nicaragua im Einsatz stehen, und ebensoviele Aktivisten der kirchlichen Basisgruppen belagerten am Mittwoch die Tore der US-Botschaft, wo sie seit Tagen eine Mahnwache aufgezogen hatten. Als dann am Abend die Entscheidung über Reagans Niederlage in Washington gefallen war, brach offener Jubel aus.

Das nicaraguanische Fernsehen wie auch die meisten Radiostationen unterbrachen ihre Unterhaltungssendungen, um über das außerordentliche Ereignis zu berichten. In den spontanen Stellungnahmen, die ein ganzes Heer von Radioreportern noch zu später Abendstunde auf den Straßen, in den Gaststätten und in den Wohnstuben aus dem ganzen Lande zusammentrugen, spürte man deutlich das Erwachen neuer Hoffnungen. „Wir wollen einen Frieden in Würde“, „die Söldner und Ronald Reagan können zusammenpacken“, „auch das amerikanische Volk will den Frieden“, waren die häufigsten Kommentare. Arbeiter, Soldaten, Polizisten und Handwerker, die sich über private und staatliche Rundfunksender zu Wort meldeten, erklärten meist feierlich, daß sie jetzt ihre Anstrengungen verdoppeln würden, um das Land aus dem Krieg und der Wirtschaftsmisere zu führen.

Einer der ersten Regierungsfunktionäre, der sich zu Wort meldete, war Nicaraguas Botschafter in Washington, Carlos Tunnermann, der mit bewegter Stimme den Kongreßentscheid kommentierte: „Der Kongreß hat sich für die Option des Friedens entschieden, aber es bleibt noch viel zu tun, um die Aggression der Konterrevolution zu stoppen.“ „Wichtig ist“, so hob Tunnermann, der 1981 als Erziehungsminister in Managua die Alphabetisierungskampagne geleitet hatte, hervor, „daß Reagans politisches Konzept für Zentralamerika auch von einer ganzen Reihe von republikanischen Abgeordneten zurückgewiesen worden ist.

Damit hat der von den fünf Präsidenten verabschiedete Friedensplan eine echte Chance bekommen“. Tunnermann lobte vor allem die Anstregungen des demokratischen Mehrheitsführers im US-Senat, Jim Wright, der den Zauderern im Kongreß die Schritte, die Nicaragua auf dem Weg zum Frieden unternommen habe, „bis in alle Details in vorbildlicher Weise vor Augen“ geführt habe.

Die Aktivisten vor der US-Botschaft haben nach dem erfreulichen Entscheid des US-Repräsentantenhauses ein riesen Strassenfest angekündigt, zu dem sich sicherlich tausende von erleichterten Nicaraguaner und Nicaraguanerinnen einfinden werden. Vertreter der Opposition werden sich wohl kaum dorthin verlieren. Die 14 Oppositionsparteien des Landes haben mit ihrem Boykott der von der Regierung anberaumten Sitzung im Rahmen des vergangenen Oktober eingeleiteten Nationalen Dialogs demonstriert, daß sie lieber den Contras als den Sandinisten in die Hände spielen. Die Regierung wollte einen 10-Punkte-Plan zu der von der Opposition geforderten Verfassungsreform diskutieren. Doch mit Ausnahme der marxistisch-leninistischen Partei „MAP-ML“ mochten sie dem Aufruf von Parlamentspräsident Carlos Nunez nicht folgen. In der Frage, ob sie sich dem Vorschlag der rechtsgerichteten Sammelbewegung „Demokratische Koordination“ nach Beteiligung am Dialog zwischen der Regierung und der bewaffneten Konterrevolution einschalten soll, herrscht bei der Opposition keine Einigkeit.

Regierung und Opposition differieren vor allem in der Frage der Entflechtung von Partei, Staat und Armee, des Rechts auf Wehrdienstverweigerung und der Wiederwählbarkeit des amtierenden Präsidenten. Die Contra-Rebellen machen die Errichtung eines Waffenstillstandes unter anderem von der Erfüllung der von der Opposition geforderten Verfassungsreform abhängig. Sie werden sich jetzt wohl bei der nächsten Verhandlungsrunde in Guatemala kooperativer zeigen müssen als in der Vergangenheit, wollen sie vom Kongreß nicht gänzlich fallengelassen werden. Georg Hodel