Kein Herz für Ronnies Lieblinge

■ Mit seinem Antrag zur Contra-Finanzierung ist Ronald Reagan im Repräsentantenhaus knapp unterlegen

Seine Ansprache zugunsten der „Freiheitskämpfer“ wollten die großen Fernsehanstalten nicht übertragen – die Werbeeinnahmen waren wichtiger. Und auch die Abgeordneten ließen Reagan bei dem Projekt hängen, das ihm (neben SDI) so am Herzen liegt.

Für die einen ging es um den Machismo der US-amerikanischen Außenpolitik, für die anderen um den Expansionismus der Sowjets. Manche führten die zivilen Opfer des Contra-Terrors ins Feld, andere die „politischen Gefangenen“ der Sandinisten. Einige stocherten in der Vergangenheit Nicaraguas andere sorgten sich um die Zukunft der Region. Zehn Stunden lang und mit fast religiösem Eifer debattierten die Abgeordneten, ob sie den Sandinisten zutrauen könnten, daß sie Freiheitund Demokratie in Nicaragua herbeiführen.

Das Land wurde behandelt wie ein Patient von seinen Ärzten: von oben herab. Braucht es mehr von der bitteren Medizin namens „Druck der Contras“, oder ist es reif für eine Kur im Friedensplan- Sanatorium des Oscar Arias? „Wie kommt es, daß wir die angeblich so gefährlichen Marxisten-Leninisten nicht in der Sowjetunion oder in China attackieren, sondern in Ländern, deren Menschen schwarz, braun, rot oder gelb sind? Wie kommt es, daß Daniel Ortega herhalten muß, wenn die USA sich als tapfer, machtvoll und als Macho beweisen wollen?“ fragte etwa der schwarze Abgeordnete Ron Dellums, und der demokratische Fraktionsführer Jim Wright bemerkte unter Applaus, Reagan sei zum Präsidenten, aber doch nur der USA gewählt worden.

Die Reagan- und Contra-Fans aber wollen von der Nichteinmischung als Grundsatz internationalen Rechts nichts wissen. Auf die Sandinisten müsse „konstruktiver Druck“ ausgeübt werden, sagte etwa Claude Pepper, ein Demokrat aus Miami, damit sie die Anforderungen des Friedensplans erfüllen.

Am Ende behielten diejenigen die Oberhand, die für Zurückhaltung plädiert hatten, die die Staaten Zentralamerikas für fähig hielten, ihre Probleme ohne Bevormundung aus Washington zu mei stern, und die dem Friedensplan vom August letzten Jahres eine relle Chance geben wollten. Knapp fünfzig Demokraten stimmten für Reagan, zwölf Republikaner gegen ihn. Die Abstimmung bildete den Endpunkt einer mehrwöchigen, ungewöhnlich heftigen Lobby-Kampagne beider Seiten. Selbst als die Debatte bereits lief, redete Contra- Führer Adolfo Calero in den Gängen des Kongresses noch auf Abgeordnete ein, versuchten Mitglieder der Reagan-Administration noch, unentschlossene Abgeordnete zu überzeugen. Mancher witterte seine Chance: Der Abgeordnete Roy Dyson aus Maryland bettelte im Weißen Haus um einen Militärflughafen in seinem Distrikt, dann werde er sich die Contra-Abstimmung noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Am Schluß stimmte auch er gegen den Präsidenten.

Doch für die meisten stand längst fest, wie sie abstimmen würden, denn Argumente waren in den Tagen und Wochen davor oft genug gefallen. Sie waren so sattsam bekannt, daß die drei großen Fernsehgesellschaften sich sogar weigerten, Reagans Ansprache am Vorabend des Votums live zu übertragen – schließlich hätte jede von ihnen auf gut drei Millionen Dollar Werbeeinnahmen verzichten müssen. In seiner Rede hatte Reagan dem Kongreß angeboten, über die Freigabe der 3,6 Millionen Dollar sogenannter „tödlicher Hilfe“ (Waffen und Munition) in dem 36-Millionen- Paket im Falle eines Scheiterns der Waffenstillstandsverhandlungen eine gesonderte Abstimmung im Kongreß durchzuführen. Warum auch diese ungewöhnliche Offerte Reagan nicht zu einem Abstimmungserfolg verhalf, machte David Bonior, ein Demokrat aus Michigan, zu Beginn der Debatte deutlich. Reagans Aufschlüsselung des Hilfspakets sei irreführend, denn eigentlich seien nur etwas mehr als sieben Millionen Dollar rein humanitäre Hilfe, der gesamte Rest sei quasi-militärisch. Sein Parteikollege David Levine fragte: „Was ist an einem Helikopter oder an einem Jeep nicht-militärisch?“ Wie Bonior hinzufügte, hat Reagan in seinem Antrag über die 36 Millionen hinaus etwa 27 Millionen Dollar für „elektronische Ausrüstung“ sowie für die Wiederbeschaffung abgeschossener CIA-Versorgungsflugzeuge „versteckt“. Mit einem Gesamtbetrag von 64 Millionen Dollar über viereinhalb Monate sei das ein monatlich höherer Betrag für die Contras als jemals zuvor. Ein Ja zu Reagans Antrag werde „alles zunichte machen, was in den vergangenen sechs Monaten erreicht wurde“, sagte Bonior.

Mit dem Votum am Mittwochabend scheiterte eine politische Strategie der Reaganisten, die seit ihrem Beginn vor sieben Jahren im Kongreß umstritten war und die immer mehr zur ideologischen Besessenheit dieser Administration geworden war. Ihr Ziel war die Beseitigung der Sandinisten, die Mittel – Gelder an die Contras – wurden mit immer neuen Lügen verkauft.

Erst sollten die Contras den nie nachgewiesenen Waffentransport von Nicaragua nach El Salvador unterbinden, dann sollten sie die Sandinisten an den Verhandlungstisch zwingen. Wegen der Unterstützung der Contras wurden die USA vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag verurteilt und schlitterte die Reagan-Administration in den Iran-Contra- Skandal. Der Friedensplan des costaricanischen Staatspräsidenten Oscar Arias stellte dann im vergangenen Sommer die Weichen in Richtung diplomatischer Lösung und bot der Demokratischen Partei ein Mittel an, Reagans Contra- Strategie die Basis zu entziehen. Stefan Schaaf