Supergeschäft mit Supergau

■ Amerikanische Börsen verzeichneten horrende Kursgewinne bei Getreidewerten unmittelbar nach Gerüchten über einen weiteren AKW-Unfall in der Sowjetunion

Berlin (taz) – Die Gerüchte um ein „zweites Tschernobyl“ sind möglicherweise von Börsen-Spekulanten gezielt lanciert worden. Noch immer herrscht bei der Wiener IAEO Rätselraten über den falschen Alarm, von dem zumindest einige Börsenhändler profitiert haben. Wie die Hannoversche Neue Presse gestern meldete, sind an mehreren US-Börsen letzten Mittwoch die „Getreidepreise explodiert“. Spekulanten hätten vor und während der Katastrophenmeldung größere Mengen von Getreidewerten aufgekauft und sie nach Steigen der Kurse mit satten Gewinnen abgestoßen. Eine Untersuchung der Geschäftsabwicklung durch die Börsenaufsicht soll jetzt Klarheit bringen, wer im Zuge des angeblichen Supergaus kassiert hat.

Unterdessen hat die IAEO nach hausinternen Recherchen darauf hingewiesen, daß bei dem Test ihres Frühwarnsystems, der vermeintlichen Ursache für den Fehlalarm, lediglich Zahlenreihen übermittelt worden seien. IAEO-Sprecher Hans-Friedrich Meyer zum Inhalt der Testsendung: Von einem „Unfall“ oder einem „Ereignis“ sei in dem Text nicht die Rede gewesen. Auch die Sowjetunion sei mit keinem Wort erwähnt worden. „Da ist überhaupt nichts draufgestanden.“

Die Test-Sendung sei über die Computerleitung und über Telex an 53 Kontaktpunkte des „Global Telecommunication System“ gegangen. Der Test war zuletzt am 27.Januar gelaufen, also schon sieben Tage vor dem angeblichen Supergau. Die IAEO kann es sich deshalb „überhaupt nicht“ erklären, wie die Rundsendung über das Frühwarnsystem mit sieben Tagen Verspätung zur Ursache der Gerüchte geworden sein könnte. Allenfalls die Tatsache, daß überhaupt das Frühwarnsystem benutzt wurde, könne die Gerüchteküche ins Brodeln gebracht haben.

Die durch den Fehlalarm dynamisierte Getreidebörse wollte die IAEO nicht kommentieren. Börsenkenner weisen allerdings darauf hin, daß das Streuen von falschen Nachrichten zum richtigen Zeitpunkt beliebte Tricks seien, um bestimmte Kursentwicklungen zu manipulieren. man-