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INTERVIEWInkohärenz im strategischen Denken

■ taz-Interview mit Fred Ikle, Vorsitzender der Kommission für eine Langzeitstrategie.

taz: Wie reagieren Sie auf die Kritik von Karl Kaiser und den anderen westeuropäischen Atlantikern auf den Kommissionsvorschlag für „grenzüberschreitende Gegenoffensiven“?

Ikle: Diese Kritik zeigt eine gewisse Inkohärenz im strategischen Denken. Da stecken wir den größten Teil unseres Budgets in die konventionellen Truppen und Rüstungen, sind aber nicht bereit, den Gegner innerhalb seines Territoriums von hinten anzugreifen.

Stattdessen geben wir dem Gegner eine Garantie, daß er die Grenze irgendwo – etwa im Fulda Gap-überschreiten kann, ohne daß wir über die Grenze marschieren. Das sei notwendig, weil die Allianz „defensiv“ ist. Dieselben Leute verlangen aber den Einsatz von Nuklearwaffen, wenn der Gegner nicht anders gestoppt werden kann. Das ist ein Widerspruch.

Was sagen sie zu den bundesdeutschen Bedenken gegen die „Modernisierung“ der Nuklearwaffen unter 500 Kilometer?

Das ist Teil des gültigen Nato-Beschlusses von Montebello, und wir erwarten, daß er auch umgesetzt wird. Eine entsprechende Erklärung des Bundeskanzlers wurde heute vermißt. Der INF-Vertrag hat die Situation überhaupt nicht verändert.

Entgegen der offiziellen Position der US-Regierung, deren Mitglied Sie sind, ist die Kommission gegen ein weltweites Chemiewaffenverbot. Wäre es nicht logisch , auch für eine künftige Stationierung chemischer Waffen in Westeuropa und Deutschland einzutreten?

Nicht notwendigerweise. Die Kommission hält ein Chemiewaffen-Verbot nicht für verifizierbar. Möglich wäre aber ein Vertrag über eine Reduzierung der Bestände, wie sie etwa die Franzosen vorgeschlagen haben. Interview: Andreas Zumach

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