Methadon ist nur eine Teillösung?

Die Grünen wollen jetzt Heroin erlauben, stand in der Bild-Zeitung: kurz, falsch und dabei auf sehr verquere Art passend Entkriminalisierung des Drogenbesitzes ist die zentrale Frage / Bundesärztekammer spricht gegen Methadonprogramm  ■ Von Susanne Paas

Mit sehr viel Kaffee, einem bißchen Bier und Pausenzigaretten tagten am vergangenen Samstag in Bonn rund hundert Männer und wenige Frauen zu dem Thema „Grundsätze einer Grünen Drogenpolitik“. Gedacht als Vorbereitung für Initiativen der Grünen Fraktion im Bundestag. Vorbild ist dabei das Programm „akzeptierender Drogenarbeit“ der Bremer Grünen und der Anlaß sind die Verelendung, die hohe Todesrate der Heroinabhängigen, Aids und die Erfolglosigkeit der unfreiwilligen Therapien zur Haftvermeidung.

„Aus meiner Generation leben kaum noch welche.“ Der das sagt, ist erst 33, seit vierzehn Jahren heroinabhängig und durch die ärztliche Verordnung einer Ersatzdroge seit drei Jahren vom Heroinspritzen runter und damit vom Zwang der Geldbeschaffung. Er ist einer von drei Süchtigen, die mit ihren Lebenswegen, mit dem Wechsel von Therapie, Knast, Rückfall, Prostitution die Hoffnungen und Irrtümer der herrschenden Drogenpolitik illustrieren.

Vierzehn Herren, drei davon aus Forschungseinrichtungen in Amsterdam und Zürich, lösen sich bis zum Abend auf den Podiumsstühlen ab. Ein Streit über die grünen Pläne, eine kontroverse Debatte kommt unter den Drogenhelfern und Wissenschaftlern nicht zustande. Nach 20 Jahren Kripo- Erfahrung sagt der Leiter des Hamburger Rauschgiftdezernates, Holger Gundlach: „Wenn wir die Konsumenten ungeschoren lassen, könnten, wir uns den Händlern stellen.“ Erhard Hoffmann, Chef des Bremer Knastes Oslebshausen, war noch vor Jahren erklärter Gegner „akzeptierender Drogenarbeit“. Weil von den Junkies, die vor 15 Jahren in den Bremer Knast eingewiesen wurden, fast keiner mehr lebt und weil die tödliche Krankheit AIDS in die Anstalt einzieht, denkt Hoffmann inzwischen über einen anderen Weg nach: „Man sollte überle gen, sterile Spritzen und Methadon zur Verfügung zu stellen – und wenn wir so nur eine einzige Ansteckung verhindern.“

Das ist der wunde Punkt an der „Entkriminalisierungs“-Debatte: Wären Besitz und persönlicher Gebrauch von Heroin nicht mehr strafbar, bliebe dennoch der hohe Preis der illegalen Droge und damit der Schwarzmarkt und die zwangsläufig kriminellen Wege der Geldbeschaffung. Der weitergehende Schritt hieße die „Legalisierung“, die rechtliche Gleichstellung von Heroin etwa mit Alkohol, ohne Schwarzmarkt und Beschaffungskriminalität. Nicht nur aus taktischen Gründen will Michael Wunder, Sprecher der grünen Bundesarbeitsgruppe Soziales und Gesundheit, die Legalisierungsdebatte nicht mit grünen Vorstößen in Richtung Entkriminalisierung des Drogengebrauchs verbinden. Anderenfalls kämen als nächstes Psychopharmaka und Medikamente auf die Tagesordnung. „Wir wollen die dauernde Bedrohung der Süchtigen durch die Polizei abschaffen“, so Wunder, „und paralell für den Ausstieg Methadonprogramme anbieten“. Der Frankfurter Jugendberater Walter Kindermann hält Entkriminalisierung für „emanzipatorische Politik“, bleibt aber mit seiner Argumentationskette gegen die Ersatzdroge Methadon allein: Methadon kontrolliere billig und chemisch, da wo soziale Kontrolle versagt hat, stelle ruhig und verändere nichts. Der Mediziner Fuchs von der Züricher Uni-Klinik brachte außer Methadon-Erfahrungen Humor für seine abgegrenzten deutschen Kollegen mit: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen, und auch kein richtiges Methadonprogramm, nur eine Teillösung. Zwischen Scylla und Karybdis wähle ich Methadon und nicht Heroin.“ Mittlerweile hat sich auch die Bundesärztekammer sehr entschieden gegen Methadonprogramme ausgesprochen. Die Ersatzdroge führe lediglich zu einer „Ausweitung des Abhängigkeitsverhaltens“. Zudem bestehe die Gefahr, daß „ein lebenslanger Bedarf an Suchtmitteln erzeugt und unterhalten“ werde.