Peter, Dan, Tom und die anderen... Aus Washington Stefan Schaaf

Wer bei uns in Washington zum Dinner eingeladen ist, muß immer schon um halb sechs auf der Matte stehen. Wer später kommt, riskiert, seinen Nachtisch vor dem Fernseher löffeln zu müssen, denn ab halb sieben gilt unsere Aufmerksamkeit nur noch Peter Jennings. „Peter“, wie die Korrespondenten ihn ebenso kurz wie freundlich titulieren, moderiert jeden Abend die „ABC World News Tonight“; er ist der „anchorman“, der Anker, an dem 22 Minuten Weltgeschehen hängen und deren puzzleartige Vielfalt er mit Ein- und Überleitungen zusammenhält.

Peter ist der Herr über die kuriose Mischung aus Politik, persönlichen und natürlichen Katastrophen sowie allerlei Alltäglichem, die die Redakteure und Korrespondenten da vor dem Zuschauer ausbreiten. Zwar steht an erster Stelle fast immer Politisches, doch je später die Sendung, desto skurriler werden die Neuigkeiten, die da angeblich das Wichtigste vom Tage bilden. Neulich erreichte eine Meldung über die endgültige Salbe gegen Falten gar eine gute Mittelfeldposition.

Aber am Anfang geht es doch eher ums Weiße Haus, um Präsident Reagan also. Das ist Sam Donaldsons Feld, er ist der Korrespondent von ABC im Weißen Haus, und er kann Ronnie nicht leiden. Um ihn zu ärgern, ruft er dem Präsidenten immer peinliche Fragen über den Rasen hinweg entgegen, obwohl Ronnie eigentlich gerade lieber mit dem Hubschrauber zum Wochenende nach Camp David fliegen will. Doch Sam hat eine so laute Stimme, daß man ihn sogar noch in den Berichten der Konkurrenz im Hintergrund schreien hört. Auch Ronnie, der ja nicht mehr so gut hört, sieht sich dann gezwungen, eine Antwort zu geben. Aber weil er auf die Frage nicht vorbereitet ist, halten Ronnies Mitarbeiter immer die Luft an, daß er auch nichts Falsches sagt.

Sam steht dann am Ende des Berichts auf dem Rasen, mit den Säulen des Weißen Hauses im Hintergrund, und sagt: „Ob Reagan damit recht hat, kann bezweifelt werden. Sam Donaldson, für ABC News, im Weißen Haus“. Alle Korrespondenten sagen in den Fernseh-News am Ende immer ihren Namen, als ob sie einen Brief geschrieben hätten und sagen wollten: „Soviel aus dem Weißen Haus, Dein Sam“. Bei anderen Themen werden gelegentlich Leute interviewt, die als besonders klug auf einem Gebiet gelten und dann etwa als „Terrorismus-Experten“ oder auch mal „Luftfahrt-Experten“ gelten. Da es eine Grundregel der amerikanischen Fernsehnachrichten gibt, Interviews nie länger als einen Satz dauern zu lassen, klingen die Experten jedoch immer ziemlich banal: „Die Bedrohung der Vereinigten Staaten durch den nahöstlichen Terrorismus ist keineswegs vorüber“, sagt etwa der Terrorismus-Experte, bevor er wieder von der Bildfläche verschwindet.

Unmittelbar nach diesem Hinweis auf derlei politikbedingte Gefahren erfährt der Zuschauer, daß es noch andere Gefahren gibt, die ihm das Leben schwer machen: Kopfschmerz, Arterienverkalkung und die gewöhnliche Verstopfung. Die acht Werbeminuten der halbstündigen Nachrichten-Shows sind fest in den Händen der pharmazeutischen Industrie, und so hat man an manchen Tagen den Eindruck, daß der Mangel an Ballaststoffen in den Frühstückscornflakes oder die tägliche Überdosis Cholesterin eine ebenso große Bedrohung darstellt wie der sowjetische Expansionismus in Südasien oder Zentralamerika.

Wir sind nach Peter Jennings „ABC World News“ immer so verwirrt, daß wir nur als Gegenmittel noch die Konkurrenz von CBS oder NBC einverleiben. CBS ist immer ziemlich heavy, im Gegensatz zum kühlen Kanadier Jennings sitzt hier Dan Rather im Pilotensitz, ein Mann, der unter ständigem Hochdruck steht und seine geschraubten und bisweilen pathostriefenden Sätze wie ein Feuerlöscher ausspritzt.

Im letzten Sommer sah es so aus, als ob immer mehr Leute Dans Gepowere überdrüssig seien und zu Tom Brokaw von NBC abwanderten, worauf die pharmazeutische Industrie CBS nicht mehr soviel für die Werbeminuten zahlen wollten und worauf Dan angewiesen wurde, vor jeder Sendung zwei Valium zu schlucken. Den auf zahnlos getrimmten Rather wollten dann aber noch weniger anschauen, sodaß er nun wieder jeden Abend um sieben vollen Schub geben darf.