Mit Partei-Buch in die Chef-Etage

Der frühere Leiter des Kieler Funkhauses Henning Röhl (CDU) wurde zum Chef-Redakteur von ARD-Aktuell gewählt / Er hat zwar keine Fernseherfahrung, aber das richtige Parteibuch  ■ Aus Kiel Jörg Feldner

Als der Leiter des NDR-Funkhauses Kiel, Henning Röhl (44), jetzt von den ARD-Intendanten mit sechs gegen drei Stimmen zum neuen Chefredakteur von ARD- Aktuell gewählt wurde, standen die landespolitischen Journalisten an der Förde auf dem Schlauch. Über ihren konservativen Landsmann, der nach Lehrjahren beim Südwestfunk 1983 Chef des schleswig-holsteinischen NDR- Teils geworden war, gaben ihre Archive nichts her. Vier Jahre lang hatte man über Röhl gelästert und den Kopf geschüttelt, aber er hatte es immer verstanden, nicht selbst zum Gegenstand der Berichterstattung zu werden.

Nun leitet Röhl die wichtigste und größte Nachrichtenredaktion des deutschen Fernsehens. Berufserfahrung bringt er nicht mit, aber ein CDU-Parteibuch. Beim Südwestfunk hat Röhl nur Hörfunk gemacht, und in seinen Kieler Jahren war er auch nie als Fernsehredakteur tätig. Stärken bewies er beim Umbau des Hörfunkprogramms vom ländlichen, aber ausführlich informierenden NDR1 zu immer noch ländlichen, aber viel weniger ausführlichen „Welle Nord“. Den Kampf um Einschaltquoten mit dem privaten, sehr erfolgreichen „Radio Schleswig-Holstein“ (RSH) wollte Röhl, obwohl die „Welle Nord“ nicht von Werbung lebt, mit den Waffen der Konkurrenz gewinnen – Musikteppich. Den Musikgeschmack der attraktiven Hörergruppe von 15 bis 45 Jahren hatte RSH jedoch so gut getroffen, daß für Röhls Konzept nur der Hörergeschmack „ab 35“ übrig blieb. Das Ergebnis: Foxtrott und Blasmusik. In der politischen Berichterstattung gelang Röhl (“Ich bin ein konservativer Staatsbürger“) die Ausrichtung der „Welle Nord“ zur Regierungsfrömmigkeit auf andere Weise. Die Fachredaktionen wurden aufgelöst oder entmachtet, Kultur, Wissenschaft und Soziales wurden ins Abendghetto verbannt. Schaltstellen wurden mit Leuten aus der CDU- Landeszentrale besetzt. Mit dem ehemaligen CDU-Referenten Matthes und dem früheren CDU- Pressesprecher Frank bürgen die beiden wichtigsten landespolitischen Redakteure für eine konservative Grundströmung.

Wenn Henning Röhl sicher gehen wollte, daß seine Partei hochgejubelt und die übrigen niedergemacht würden, dann griff er selbst zum Mikrofon. Die Irritation, die er hervorrief, als er 1986 nach den Kommunalwahlen den Sieger SPD zum Verlierer ausrief, ließ ihn kalt. Kritik konnte ihm nichts anhaben, lächelnd ließ er sie an sich abperlen, denn er wußte: Nicht das Ansehen unter Journalisten war für ihn entscheidend, sondern sein Renommee bei der Landesregierung. Für deren Treue revanchierte sich Röhl in entscheidenden Augenblicken. Solch eine Situation ergab sich nach Barschels „Ehrenwort-Pressekonferenz“ am 18.9. vorigen Jahres: „Mit eisernen Nerven... hat Uwe Barschel die Schuldvorwürfe zurückgewiesen“, lobte er in einem Hörfunkkommentar, und freute sich weiter, daß Barschels „Frontalangriff gegen den Spiegel“ den Weg bereite „für eine Kräftigung der Position Uwe Barschels, aus der heraus es ihm ein Leichtes sein wird, die nächste Legislaturperiode als Ministerpräsident auch ohne parlamentarische Mehrheit zu überstehen“. Einen Rücktritt von Barschel hielt Röhl für „mehr als absurd“.