Streit um Sare-Foto geht weiter

Auch ein neues Gutachten brachte vor dem Frankfurter Gericht keine letzte Klärung, ob ein Demofoto den getöteten Günter Sare zeigt / Streit um Zentimeter / Urteil im Prozeß gegen zwei Polizisten erst im März  ■ Aus Frankfurt Reinhard Mohr

Frankfurt(taz) – Am 38.Verhandlungstag im Strafprozeß gegen zwei Polizeibeamte, denen die fahrlässige Tötung des Demonstranten Günter Sare vorgeworfen wird, hat ein neu hinzugezogener Sachverständiger das Erstgutachten eines Kollegen im wesentlichen bestätigt: Aufgrund fotogrammetrischer Messungen bestehen nach wie vor Zweifel, ob das inzwischen berühmt gewordene Foto eines Hobbyfotografen den Sekunden später von einem Wasserwerfer überrollten Günter Sare zeigt. Hatte der Erstgutachter Schürer noch eine Marge von 1,84 bis 2,05 Meter der anhand des Fotos ermittelten Körpergröße in seiner Messung, so konnte Manfred Döhler, Professor für Fotogrammetrie in Karlsruhe, die Größe der im Wasserwerferstrahl laufenden Person aufgrund genauerer Meßmethoden präziser bestimmen. Danach beträgt der Mittelwert 1,865 Meter – mit einer Fehlerquote von 2 cm nach oben und unten.

Döhler hatte ein neues Foto vom Tatort aus derselben Perspektive und dem gleichen Kameraobjektiv anfertigen und es dann in das Originalbild „transformieren“ lassen. Die beiden Fotos paßten akkurat ineinander und lieferten exakte Markierungspunkte zur Vermessung der Bildebenen. Zum anderen hatte der Zweitgutachter die Situation vom 28.September 1985 in einer Polizeikaserne nachstellen lassen. Dabei ergab sich, daß „Fotografien eine gute Grundlage zur Messung von Körpergrößen abgeben können“, so Döhler gestern vor Gericht. Döhler lobte seinen Kollegen und konnte zugleich einige „kritische Punkte“ durch seine umfangreiche Methodik ausräumen bzw. präzisieren. Die Vertreter der Nebenklage kündigten einen Beweisantrag an, um die Personen, die den Leichnam Günter Sares gemessen haben, als Zeugen zu laden. Außerdem sollen die Musterungsunterlagen vom Kreiswehrersatzamt beschafft werden. Die Verteidiger wollen noch einmal die Absatzhöhe der Turnschuhe messen lassen, die Günter Sare trug.

Der Streit um Zentimeter wird wohl auch den Prozeßausgang entscheiden: Viele Augenzeugen hatten berichtet, der Mann im Wasserstrahl, der kurz danach überfahren wurde, sei Günter Sare gewesen. Günter Sare aber, so der bisherige Kenntnisstand, war maximal 1,80 Meter groß.