: Zufällig einen Militanten erschossen?
Ein 26jähriger wurde nach einem Tankstellenraub von der Polizei erschossen / In seiner Wohnung wurde ein Bekennerschreiben zu einem Brandanschlag gefunden / Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf eine Straftat nach § 129a ■ Aus Bonn Oliver Tolmein
Eine Schießerei zwischen zwei Polizisten und einem mutmaßlichen Tankstellenräuber am vergangenen Wochenende hat jetzt zu einem Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft wegen zweier Brandanschläge auf Autobahnbaustellen geführt. Bei dem Schußwechsel Samstag nacht war der 26jährige Armin Wawroschek getötet und ein Polizist durch einen Bauchschuß schwer verletzt worden. Bei Wawroschek, so der Polizeibericht, seien 4.000 Mark Beute aus einem Tankstellenüberfall gefunden worden.
In der kleinen Mansarde in der Bonner Nordstadt sollen dann, so die Polizei, mehrere Pistolen, Munition, Bombenzünder und ein Nachtsichtgerät gefunden worden sein. Die Bundesanwaltschaft zog das Verfahren sofort an sich, weil, wie deren Pressesprecher Prechtel der taz mitteilte, außerdem das Orginal eines bislang unbekannten Bekennerschreibens zu einem Anschlag auf eine Autobahnbaustelle an der A 98 in Hitzingen im Kreis Konstanz gefunden worden sei. Dieser am 14.1. 1988 durchgeführte Brandanschlag ist nach Auffassung der Bundeanwaltschaft „gleichartig“ wie ein in Bergheim bei Köln durchgeführter Anschlag. Die Bundesanwalt schaft geht davon aus, daß beide Anschläge von Gruppen durchgeführt worden sind. Aufgrund dieses „zureichenden Anfangsverdachts“, daß es sich um eine Straftat nach § 129a handelt, hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich gezogen; sie konnte aber nicht konkretisieren, gegen welche „terroristische Vereinigung“ sich die Ermittlungen richten und welche Indizien für eine Beteiligung mehrer Personen an dem Anschlag sprechen.
In dem in Wawroscheks Wohnung gefundenen Bekennerschreiben heißt es nach Auskunft von Prechtel unter anderem: „Die Aktion verstehen wir als wichti gen Schritt im Kampf gegen die Autogesellschaft...und für die Wiedererschaffung genießbarer Landschaft.“ Unterzeichnet ist das Schreiben mit „Erde, Körper, Seele“. Wawroschek ist, so die Auskunft aus Karlsruhe, der Bundesanwaltschaft bisher nicht bekannt gewesen, allerdings sei er bei den Krefelder Auseinandersetzungen anläßlich des Besuchs von US-Außenminister Bush 1984 „polizeilich in Erscheinung getreten“.
Merkwürdig bleiben die Umstände der Erschießung des 26jährigen. Er soll an einer Telefonzelle „auffällig“ gewartet haben. Deswegen und weil zwei Stunden vorher eine Tankstelle überfallen worden ist, so die Polizeiversion, habe der Streifenwagen angehalten, um den Mann zu überprüfen. Nachdem die Polizisten ausgestiegen seien, habe Wawroschek sofort eine Pistole (eine Sig-Sauer) auf sie gerichtet. Die Beamten hätten daraufhin ihre Hände hochgenommen, der Mann habe aber dennoch geschossen. Erst daraufhin will der unverletzte Polizeiwachtmeister seinerseits das Feuer eröffnet und achtmal geschossen haben. In ersten Pressemeldungen hatte die Polizei festgestellt, es gebe bislang keine Hinweise auf Verbindungen „zur terroristischen Szene“.
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