Mit Maggies Hilfe in den Streik

Britische Fordarbeiter wollen Gegenleistungen für Produktivitätsverbesserungen sehen / Ausstand gegen die Einführung japanischer Arbeitspraktiken / Streik gefährdet Produktion auf dem Kontinent  ■ Aus London Rolf Paasch

„Unser Streik ist überhaupt nicht politisch, wie damals vor zehn Jahren. Wir sind nur wütend, daß uns Ford weiter schröpfen will.“ Joe Gordon steht mit zwei Dutzend Kollegen seit vier Tagen vor den Toren der Fordwerke in Dagenham, am Rande Londons. Während zwei Fließbandarbeiter, die sonst in der Montagehalle schräg gegenüber Fiestas und Sierras zusammensetzen, Kartoffeln auf den improvisierten Holzofen stellen, steht der Betriebsrat Kollegen und Presse Rede und Antwort. Wieviel und wo die Streikkasse auszahlt? „Ab Montag gibts im Büro der Transportarbeitergewerkschaft jede Woche 25 Pfund (75 Mark). „Okay, mein Freund?“ „Und Leute“, ruft Joe in die Runde, „kein Wort an die Presse ohne einen Beitrag zur Streikkasse. Klar!“ „Damals im Winter 1978“, so hebt Joe dann nach Entrichtung eines solidarischen Obulus an, „waren wir bei Ford nur der Beginn einer politischen Streikwelle gegen die Einkommenspolitik der Labour-Regierung. Alle haben sie damals gestreikt, Automobilarbeiter, Krankenwagenfahrer, Müllabfuhr. Da war noch richtig was los in der Arbeiterbewegung.“ Nicht mehr lange allerdings. Der berüchtigte Streikwinter von 1978 brachte damals die Labour Regierung zu Fall und verhalf den Konservativen unter Margaret Thatcher in den Sattel. Seitdem haben es die Tories verstanden, das Bild von den undemokratischen, rücksichtslos streikenden Gewerkschaften im kollektiven Bewußtsein der Nation zu verankern. Krise, Massenarbeitslosigkeit und die folgenden Anti-Gewerkschaftsgesetze der Regierung zwangen nicht nur den Fordarbeitern zehn magere, streiklose Jahre auf. Selbst das Management des Fordkonzerns war danach von der neuen Demut der britischen Automobilarbeiter überzeugt. Der Auto-Multi investierte wegen der – an europäischen Standards gemessen – niedrigen Löhnen wieder heftig in seine britischen Werke, die heute überwiegend Komponenten für die Montagewerke des Kontinents liefern.

Dies und die den Japanern abgeschaute Strategie verkürzter Lagerhaltung haben jetzt dazu geführt, daß der Streik nach nur knapp einer Woche auf dem Kontinent bereits greifbare Auswirkungen hat. Die rund 10.000 Fordarbeiter im belgischen Genk brauchen am Montag gar nicht zur Schicht zu erscheinen, weil wich tige Zulieferungen fehlen. Heute, so fährt der Betriebsrat fort, sei der Streik gegen einen weiteren Tarifvertrag über drei Jahre gerichtet. „Wir stellen Ford doch nicht noch mal einen Blankoscheck aus, wie vor zwei Jahren“. Die Männer in Dagenham sind immer noch sauer, daß der letzte Abschluß Ford enorme Produktivitätsgewinne erbracht hat, „und uns gar nichts“, so Joes Kollege Peter Singh. Wenn es nach den neuen Flexibilisierungplänen der Automobilfirma geht, wird Joe Gordon trotz seiner fünfjährigen Ausbildung demnächst mit dem qualifikationslosen Peter Singh zusammen am Fließband stehen: der hat keine Qualifikation und Joe Gordon wird für die gleiche Arbeit fünf Mark pro Stunde mehr verdienen. „Das schafft doch nur Konflikte unter den Arbeitern“, sagen sie beide fast im Chor. Doch Fords Pläne gehen noch weiter.

Wie im europäischen Pionierwerk des japanischen Nissan- Konzerns, im nordenglischen Sunderland, sollen Arbeitsteams gebildet werden, die auch für die Arbeitsorganisation verantwortlich sind. „Nicht mit uns“, weist Joe Gordon diese Idee empört zurück. „Unser Job ist es, die Autos zusammenzusetzen; wir erledigen doch nicht auch noch die Ar beit des Managements“. Statt neuer Pflichten wollen die Fordarbeiter erst einmal ihre Belohnung für die Produktivitätsverbesserungen sehen. Der Ausstoß von Fertigungseinheiten pro Arbeiter hat sich innerhalb von zwei Jahren von 6.4 auf 9.5 Autos erhöht. Beinahe wäre es es den Arbeitgebern jetzt sogar gelungen, mit dem von der Gewerkschaftsführung bereits abgesegneten Dreijahresvertrag weitere Schritte in Richtung japanischer Produktionsbedingungen zu machen. Doch ausgerechnet die Thatcherschen Gewerkschaftsgesetze machten der Konzernführung nun einen Strich durch die Rechnung. Denn die gesetzlich vorgeschriebenen Urabstimmungen verhindern nicht nur wie beabsichtigt spontane Streiks; sie stärken auch die Macht einer geeinten und entschlossenen Basis, gegen allzu moderate Deals zwischen Gewerkschaftsführung und Arbeitgeber vorzugehen. Auch dies ist ein Unterschied zur Situation im Streikwinter von 78. „Das habe ich schon immer gesagt“, erklärt Joe Gordon, „Maggies gesamte Gewerkschaftsgesetze in Grund und Boden zu verdammen, war schon immer gewerkschaftlicher Übereifer. Die haben auch ihr Gutes.“ Gestützt auf die offizielle Ablehnung des Verhandlungspakets durch 59 Prozent der Fordarbeiter, hat der Streik eine solide Basis. „Mit Streikbrechern haben wir hier diesmal keine Probleme“, so lacht Peter, während er die Kartoffeln abschmeckt. „Dank Maggie!“