GASTKOMMENTAR
: Geistervertreiber

■ Die EG will den bäuerlichen Betrieb zerschlagen

Hektische Aufgeregtheit in den Medien – zerbricht Europa an der Agrarpolitik, frißt der Subventionsmoloch nun endlich seine Kinder? Auf einen neuerlichen Kompromiß des EG-Gipfels darf man ebenso gespannt sein wie auf ein neuerliches Scheitern. Das eine wie das andere wird – durch alle Tageszufälligkeiten hindurch – signalisieren, mit welchem Tempo die Industrialisierung der Landwirtschaft vorangetrieben wird und welches wirtschaftliche Gewicht die Agro-Industrie in Zukunft in welchem Land haben soll. Die Unterschiede innerhalb der führenden EG- Länder sind außerordentlich groß: In Großbritannien spielt als Folge der kolonialen Vergangenheit die Landwirtschaft nur eine vergleichsweise geringe Rolle; von daher das verbissene Festhalten der britischen Delegation an einer Senkung der EG-Agrar-Ausgaben.

Frankreich ist mit enormem Mitteleinsatz dabei, die Industrialisierung seiner Landwirtschaft voranzutreiben, mit Schwerpunkten in der Bodenproduktion (Weizen, Zuckerrüben) und Ausrichtung auf Exporte. Deshalb wehrt si anders als Industriewaren – (noch) nicht möglich auf der Basis konzerninterner Verrechnungspreise, sondern sie setzen gigantische Haushaltsmittel voraus. Auch die Niederlande setzen auf den Agrarexport (vor allem bei tierischen Produkten), wähnen sich aber in der Postion des technologisch überlegenen Anbieters und hoffen, durch beschleunigte Senkung der Erzeugerpreise Konkurrenten ausschalten zu können.

Die BRD ist mit ihrem Ignaz Kiechle, einem altgedienten Lobbyisten der bayerischen Agrarwirtschaft, zwischen allen Stühlen im Fettnäpfchen. Die Auseinandersetzungen im Bonner Regierungsblock um den anzusteuernden Typ von Landwirtschaft sind noch nicht entschieden. Auf der einen Seite agrarindustrielle Schweine- und Hühnerhalter, die einen „holländischen Weg“ kapitalistischer Agrarentwicklung fordern – und die dabei sind, sich eigenständig zu organisieren. Auf der anderen Seite „süddeutsch“ orientierte CSU- und CDU-Häuptlinge, die Angst um ihre Mehrheiten haben, weil die Bauern sich politisch zu bewegen beginnen.

Die Bindung der Bauern an CDU und CSU ist brüchig geworden; der Bauernverband hat stark an Einfluß verloren. Mit brennenden Holzstößen versucht er zu Beginn des Gipfels, Zeichen zu setzen – so, als wenn es um die Vertreibung von Geistern ginge. Vor wenigen Wochen haben sich die wichtigsten Gruppen der Agraropposition zu einem Dachverband zusammengeschlossen, an dem sich auch Verbände des Umweltschutzes, der Dritte-Welt-Bewegung und Verbraucher-Initiativen beteiligen. Die Agraropposition – vor allem die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft – hat begriffen, daß es der Brüsseler und der Bonner Agrarpolitik um eine Beschleunigung der Zerstörung bäuerlicher Strukturen geht.

Prof.Onno Poppinga, Arbeitsgemeinschaft für ländliche Entwicklung, Gesamthochschule Kassel