KOMMENTAR
: Späte Erkenntnis

■ Die Fordarbeiter profitieren von Thatcher- Gesetzen

Daß die Dompteuse der britischen Gewerkschaften, Margaret Thatcher, mit ihren zu Beginn der achtziger Jahre eingeführten Anti-Gewerkschaftsgesetzen nun den Streik der Fordarbeiter heraufbeschworen hat, mag für viele seltsam klingen. Trotzdem ist diese Tatsache nur der verspätete Beweis dafür, daß die unter dem Stichwort „Demokratisierung“ durchgeführte Disziplinisierung der Gewerkschaften auch ihr Gutes hatte. Das Verbot von wilden Streiks war von der britischen Gewerkschaftsbewegung jahrelang als reaktionär und entsolidarisierend bekämpft worden.

Viele der Gewerkschafter haben bis heute noch nicht kapiert, daß das solidarische Handheben im Fabrikhof auf spontan einberufenen Streikabstimmungen Stärke nur vortäuscht. Oft genug endet es mit einer Niederlage, weil der Streik dem ökonomischen Druck der Krise nicht standhält. Nicht zuletzt aufgrund der ihnen von Gewerkschaftsführer Scargill verweigerten Urabstimmung hatten sich die britischen Bergarbeiter am Ende ihres historischen Streiks von 1984 geschlagen geben müssen. Die den Arbeitern nun von den Konservativen verschriebene schriftliche Urabstimmung vermittelt den Gewerkschaften dagegen nicht nur ein zuverlässigeres Bild über die wirkliche Stärke der Streikbewegung, sie verbessert auch die Chancen für eine öffentliche Akzeptanz ihres Protestes.

Hätten Labour Party und Arbeiterbewegung es in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre allerdings aus eigener Erkenntnis und Kraft geschafft, die längst überholten Arbeitsbeziehungen und undemokratischen Gewerkschaftsstrukturen im eigenen Interesse zu reformieren, dann hätte es den Thatcherismus in dieser Form und Dauerhaftigkeit vermutlich gar nicht gegeben. Auch in der Arbeitswelt hat sich die Popularität der Regierung Thatcher nie aus etwas anderem als aus dem Versagen der britischen Linken genährt. Rolf Paasch