Mörderbande ÖTV

■ Berliner Hochschullehrer Grottian knallt durch

Berlin (taz) - Der FU–Wissenschaftler Peter Grottian hat zweifellos Verdienste. In penetranter Hartnäckigkeit wies er Jahr für Jahr auf die Möglichkeit hin, im Öffentlichen Dienst Arbeit und Geld nicht nur bei jenen weiter anzuhäufen, die beides schon haben, sondern umzuverteilen. Seine Initiativen wurden immer wieder breit rezipiert, wiesen sie doch auf ein Defizit der inner– und außergewerkschaftlichen Diskussion hin. Und nun diese Presseerklärung: Mit Bezug auf das Zille–Zitat, man könne einen Menschen nicht nur mit der Axt, sondern auch mit einer menschenunwürdigen Wohnung erschlagen, weiß Grottian zu vermelden, „daß Arbeitslose auch durch beschäftigungsfeindliche Tarifverträge erschlagen werden können“. Es sei ein „überlegter provozierender Vorwurf“, die Tarifpartner des Öffentlichen Dienstes „der Tötung von Arbeitslosen zu bezichtigen“. Warum? Weil auch bei der derzeit laufenden Tarifrunde keine die Arbeit umverteilende Arbeitszeitverkürzung herauskommen würde. Die Tarifrunde würde zum „Lohnprozente–Ritual“ verkommen. Und weil wissenschaftlich bewiesen ist, daß Arbeitslose schneller sterben... Nun dachte die informierte Öffentlichkeit, die Gewerkschaft ÖTV wolle diesmal Arbeitszeitverkürzung durchsetzen. Jedenfalls erwecken ihre Verlautbarungen, ihre seit neuestem kämpferischen Töne diesen Eindruck. Nur weiß Peter Grottian natürlich, daß man den denkfaulen und privilegiengeilen Funktionären nie glauben darf. Denn schließlich ist seine Forderung die richtige: vier Stunden Arbeitszeitverkürzung, voller Lohnausgleich, Verpflichtung der Arbeitgeber zu Neueinstellungen. Und wenn sie dies nicht durchsetzt, dann - wer wollte das leugnen - ist die ÖTV nichts weiter als eine Mörderbande. Martin Kempe