Fürs Homeland aus der Hüfte geschossen

Nach dem gescheiterten Putsch in Bophuthatswana: Südafrikas Polizei-Sondereinheit feiert ihre Helden / Einige hundert Rebellen sollen in ein Waffenlager eingebrochen und mit Handgranaten, Panzerfäusten und Munition entkommen sein  ■ Aus Mmabatho Hans Brandt

„Wir haben die Situation wieder im Griff,“ sagte der südafrikanische Statspräsident Pieter W. Botha bei seinem Solidaritätsbesuch im „unabhängigen“ Homeland Bophuthatswana am Mittwoch abend, kurz nachdem südafrikanische Truppen den 15-Stunden-Putsch in dem Homeland rückgängig gemacht hatten. Botha korrigierte sich sofort. „Ich meine, die Regierung von Bophuthatswana hat die Situation im Griff.“ Wirklich?

Mitten in der Homeland- Hauptstadt haben sich seit Mittwoch etwa hundert südafrikanische Polizisten im „Unabhängigkeitsstadion“ einquartiert. Im Hof steht ein Dutzend Panzerfahrzeuge. In einem Raum unter der Tribüne stehen die Feldbetten in langen Reihen. Der Mief von hundert paar Männerstiefeln mischt sich mit Gulaschgeruch. Die Superpolizisten, Mitglieder einer geheimen Sondereinheit, haben gerade gegessen. Nun sitzen sie auf den Betten, putzen ihre Gewehre und lesen in der regierungstreuen Tageszeitung Beeld von ihren heroischen Taten.

Der befehlsführende Hauptmann ist freundlich. „Sie wollen sich mal umsehen? Selbstverständlich.“ Er ruft einen Bophuthatswana-Polizisten heran. „Der Sergeant hier wird ihnen alles zeigen.“

Der Umkleideraum, in dem Homeland-Präsident Lucas Mangope und Mitglieder seines Kabinetts 15 peinliche Stunden verbrachten, ist noch unverändert. In der Betonzelle steht eine einfache Holzbank, auf dem Boden liegen zwei zerrissene Schaumgummimatratzen. Sie sind in Blut getränkt. „Das ist das Blut von General Turner,“ sagt mir der Sergeant.

Turner, ein südafrikanischer Polizeigeneral, der zur Zeit Leiter der Streitkräfte von Bophuthatswana ist, gilt als wirklicher Held des Tages. Er hat sein Leben für seinen Präsidenten Magope aufs Spiel gesetzt. Mangope wurde morgens um zwei Uhr von den aufständischen Soldaten aus der Sicherheitseinheit der Armee aus dem Bett geholt. Im kurzen Schlafanzug, ohne Schuhe, die neue Dauerwelle vollkommen zerzaust, wurde der Präsident ins Stadion gebracht. Dort mußte er im Regen sitzen, während die Rebel len ihn zum Rücktritt aufforderten. Mangope weigerte sich. „Ich war bereit, zu sterben“, sagte er später. Vollkommen unterkühlt durfte er nach drei Stunden zu seinen Kollegen in die Zelle.

Turner war über die Behandlung seines Führers entsetzt. Mit bloßen Händen gingen er und seine Mithäftlinge von der Bophuthatswana Polizei auf ihre bewaffneten Peiniger los und entrissen ihnen die Gewehre. Es kam zu einer Schießerei. „Aus der Hüfte schießend hat Turner einen der Rebellen liquidiert“, erzählt Finanzminister Lesley Young. „Er hat ihn in zwei Teile geschnitten.“ Dabei wurde Turner am Fuß verletzt. „Er wird wohl seinen Fuß verlieren,“ sagt Young. „Aber der Rebell hat sein Leben verloren.“

„Sind sie froh, daß Mangope wieder an der Macht ist?“ frage ich den Sergeanten, der mich begleitet. „Selbstverständlich“, antwortet er. „Magope ist unser Held.“ Überlebensgroß, in Bronze gegossen, steht Held Mangope vor dem Regierungsgebäude „Garona“ wenige Hundert Meter vom Stadion entfernt. Die Statue enthüllte er sich zur Feier der zehnjährigen „Unabhängigkeit“ im Dezember letzten Jahres. Zuversichtlich blickt der Gönner seines Volkes in die Zukunft. Doch das Volk ist mit ihm nicht zufrieden. Studenten an der Universität von Bophuthatswana jubilierten, als sie am Mittwoch von seinem Fall hörten. Selbst ein Soldat, den ich am Straßenrand mitnehme, beschwert sich. „Mangope hat uns nichts gebracht“, sagt er. „Er und seine Freunde fahren in Luxuswagen durch die Gegend. Die Regierungsviertel haben gute Teerstraßen. Aber in unserem Wohngebiet am Rande der Hauptstadt sind die Straßen fast unbefahrbar.“ Seine Nachbarn wurden allesamt aus Südafrika nach Bophuthatswana zwangsumgesiedelt. „Die Alten bekommen jetzt viel weinger Rente, als in Südafrika“, sagt er. „Und sie alle haben ihre südafrikanische Staatsangehörigkeit verloren.“

Er erzählt von verbreiteter Unzufriedenheit im Militär. Weiße südafrikanische Offiziere haben die besten Posten und behandeln die schwarzen Soldaten wie Dreck. „Ein paar hundert Rebellen sind Mittwoch abend entkommen“, sagt er. „Aber vorher sind sie noch ins Waffenlager eingebrochen und haben Handgranaten, Panzerfäuste und Munition mitgenommen.“ Warum, frage ich, gibt es dann keine Straßensperren in Mmabatho, um die Flüchtlinge zu finden? „Nur wir von der Armee würden die Rebellen erkennen, und uns trauen sie nicht.“

Tatsächlich haben Bophuthatswana-Polizisten die Bewachung von wichtigen Gebäuden übernommen. Sie wurden am Mittwoch von den Südafrikanern mit Waffen ausgerüstet, weil das eigene Lager von den Rebellen geplündert worden war.

Auch im Hauptquartier der oppositionellen Progressiven Volkspartei (PPP), deren Führer Rocky Malebane-Metsing weniger als einen Tag lang Präsident des Homelands war, wachen die Polizisten. Das Haus wurde am Mittwoch von den Südafrikanern gestürmt. Im Sand liegen noch die Schachteln der Gasmasken, die sie benutzten: Marke „Auer 3SE“, Hersteller „Auergesellschaft GmbH“.

Auf eine Freundesbotschaft von Franz Josef Strauß hat der gerettete Präsident Mangope vergeblich gewartet: „Wir haben Solidaritätbotschaften von vielen internationalen Freunden erhalten, aber nicht von ihm.“