Vranitzky: Waldheim kostet zuviel Zeit

■ Österreichs Kanzler denkt an Rücktritt, weil die tägliche Waldheim-Verteidigung zuviel von seiner Arbeitskraft abzieht

Wien (rtr/ap/taz) – Statt Waldheim will Vranitzky seinen Hut nehmen. Der österreichische Bundeskanzler hat gestern mit seinem Rücktritt gedroht und Waldheim unter Zugzwang gesetzt. In der Fernsehsendung Pressestunde sagte Franz Vranitzky, wenn ihn die Verteidigung Waldheims weiterhin soviel Zeit koste wie bisher, müsse er seine Regierungsaufgaben vernachlässigen. Dann stelle sich die Frage, ob er sich nicht eine neue Aufgabe suchen solle. „Meine tägliche Arbeit ist zu 60 Prozent im Inland und Ausland von diesem Thema gebunden“, klagte der Kanzler.

Als Regierungschef wolle er dem Staatsoberhaupt zwar nicht den Rücktritt nahelegen, doch forderte er Waldheim auf, in den Dingen, „die ihn höchstpersönlich betreffen“, mehr Aktivität zu zeigen und Stellung zu nehmen. Der Bundespräsident und ehemalige UNO-Generalsekretär steht erneut unter Beschuß, seit eine von der Regierung eingesetzte Historikerkommission ihn zwar von der Anschuldigung der Mittäterschaft bei Kriegsverbrechen freisprach, ihm aber Mitwisserschaft attestierte.

In einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit dem Wiener Boulevardblatt Kurier schloß Kurt Waldheim einen Rücktritt erneut aus. Die Kritik im Ausland werde sich beruhigen, wenn sich die Situation in Österreich beruhige, sagte er, „denn das Ausland wird nach wie vor stark von Österreich mit allen möglichen negativen Berichten gefüttert“. Waldheim steht nach wie vor auf der „watchlist“ der USA, darf also nicht einreisen, und ist in seiner fast zweijährigen Amtszeit in keinen demokratisch regierten Staat zu einem offiziellen Besuch eingeladen worden.

Sogar in der konservativen ÖVP, als deren Kandidat Waldheim 1986 mit dem Slogan „Jetzt erst recht“ angetreten war, mehren sich jetzt die offenen Stellungnahmen für einen Rücktritt. So hat der Kanzleramtsminister Heinrich Neisser dem Bundespräsidenten nahegelegt, „zu überlegen, wie es weitergeht“, da „alle mitsammen von einer gewissen Ratlosigkeit befallen“ seien. rld