Asbest gibt Berliner Schülern den Rest

Mehrere Schulgebäude, die in den siebziger Jahren mit Spritzasbest gebaut wurden, mußten geschlossen werden / Asbest kann in jeder Konzentration Lungenkrebs verursachen / Massenhafte Schülerdemos  ■ Von Brigitte Fehrle

Berlin (taz) – Als Berlins Baustadtrat Wittwer (CDU) nach langem parlamentarischem Gerangel endlich einer Begehung von sechs Schulgebäuden zustimmte und Asbest-Messungen in der Raumluft durchgeführt waren, wurde sofort Alarm ausgelöst und die Gebäude gesperrt. Die Messungen bestätigten, was Gesundheitsstadträte der Alternativen Liste seit Jahren vermuten: Daß die Luft der überwiegend in den siebziger Jahren errichteten Schulgebäuden mit den Lungenkrebs erregenden Asbestfasern gesättigt ist.

Geschätzt wegen seiner Haltbarkeit und Belastungsfähigkeit wurde der Baustoff in Form von Spritzasbest häufig bei sogenannten Stahlgerüstbauten vor allem eben Schulen, Krankenhäuser und öffentliche Verwaltungsgebäuden verwendet.

Nach den Messungen begann der Streit um die zulässigen Grenzwerte. 1.000 Faser pro Kubikmeter Raumluft, so hatte die Schulsenatorin Laurien (CDU) den Bezirksstadträten mitgeteilt, seien der obere Wert. Das provozierte nicht nur den Protest von Fachleuten aus der AL, die Senatorin mußte sich auch vom Bundesgesundheitsamt zurechtweisen lassen. Das hatte zwar wirklich von 1.000 Fasern gesprochen, allerdings bei Außenluft, die Gefährdungsgrenze in geschlossenen Räumen allerdings bei deutlich unter 1.000 Fasern angegeben. Inzwischen gilt jedoch als bekannt, daß in Innenräumen Asbestfasern in jeder Konzentration gesundheitsgefährdend sind.

Die Messungen in einigen Berliner Schulen ergaben immerhin eine Faserdichte von bis zu 680 pro Kubikmeter. Mehrere Schulstadträte reagierten prompt, und so kommt es, daß inzwischen mehrere 1.000 SchülerInnen „Wandertag“ haben. Doch die Jugendlichen gehen nicht nur morgens auf die Straße. Nahezu jeden zweiten Tag haben sie in der letzten Woche demonstriert, und ihre Informationsveranstaltungen an den betroffenen Schulen waren gut besucht. Vergangenen Freitag de monstrierten die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft gemeinsam mit der AL und den Sozialdemokraten für den Erhalt der Gesamtschulen und eröffneten damit einen neuen Kriegsschauplatz.

Die SPD lenkt dabei von dem Problem ab, daß sie es war, unter deren Regierungsverantwortung die Schulen aus dem dem krankheitserregenden Material gebaut wurden. Die Frage der AL-Gesundheitsstadträte, warum nicht nach dem 1979 erlassenen Verbot von Spritzasbest alle Gebäude untersucht und saniert wurden, ist bislang unbeantwortet geblieben.