„Das Revier nicht absaufen lassen“

Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Rheinhausen / Für Steinkühler zur Begrüßung ein Pfeifkonzert / Heuchler-Rufe für den IGM-Chef / Betriebsrat erneuert Forderung nach Erhalt des Standortes  ■ Aus Rheinhausen W.Jakobs

„Heuchler, Heuchler“, riefen einige Stahlkocher, Pfui-Rufe ertönten aus der Halle und dann ein gellendes Pfeifkonzert. So wurde gestern im Krupp-Walzwerk nicht der Krupp-Chef begrüßt, sondern der Unmut galt ausgerechnet dem Gewerkschaftsvorsitzenden Steinkühler, dessen Organisation bei Krupp-Rheinhausen mit knapp 95 Prozent einen erstklassigen Organisationsgrad vorweisen kann. Franz Steinkühler bringt im Verlauf seiner Rede den Saal zwar zum Schweigen – mit Hilfe einer riesigen Lautsprecheranlage –, aber auf große Sympathie stoßen seine Ausführungen nicht.

Auch über seinen Einstieg – „Man hat mir gesagt, daß hier einige Kisten Eier hineingetragen worden sind. Wenn ich glauben würde, daß euch mit Eiern geholfen werden könnte, hätte die IG Metall schon die ganze Produktion aufgekauft.“ – mag hier niemand lachen. Zwar werden dann doch keine Eier geworfen, aber Steinkühler, dem man seine Zurückhaltung und Abwesenheit beim Kampf um die Krupp-Hütte in Rheinhausen seit Beginn der Auseinandersetzung verübelt, hat hier spätestens durch seine Interviewäußerung, das Krupp-Konzept sei „betriebswirtschaftlich plausibel“, jede Sympathie verspielt. Zwar bekommt der IGM- Chef im Verlauf seiner Rede gelegentlich Beifall, aber die Leute registrieren genau, daß er den Erhalt des Stahlstandortes Rheinhausen explizit nicht fordert.

Die Krise bestehe darin, so zitiert Steinkühler Antonio Gramsci, „daß das Alte stirbt und das Neue nicht wächst“. Deshalb gehe es darum, „die Verteidigung vor handener Arbeitsplätze und die Schaffung neuer Arbeitsplätze am Ort und im Revier zu verbinden“. Im Gespräch mit Journalisten wurde Steinkühler dann präziser. Zwar könne niemand sagen „ob in 20 Jahren noch in allen Stahlstandorten Stahl produziert“ werde, aber aktuell gelte die IGM-Forderung „nach Erhalt aller Stahlstandorte“. Die Alternativen, die die IGM bei den Montanrunden in Düsseldorf – dort begann die Konferenz am Mittwoch nachmittag – und am 24.2. in Bonn „auf den Tisch legen wird, gehen nicht nur davon aus, daß der Stahlstandort in Rheinhausen erhalten werden muß, sondern auch erhalten werden kann“.

Stürmisch gefeiert wurde in Rheinhausen ein anderer IG-Metaller. Manfred Bruckschen, Betriebsratsvorsitzender, redet Klartext, und das kommt an in der Halle, in der sich nach Angaben der Veranstalter 15.000 Menschen versammelt haben. Der Kampf für den Stahlstandort könne gewonnen werden, „wenn wir uns nicht feige verkriechen, sondern mutig nach vorn gehen und solidarisch für einander einstehen“.

Am Samstag steigt im Walzwerk ein riesiges „Stahlfestival“, und in der nächsten Woche wollen die Gewerkschaften, einen Tag vor der Montanrunde in Bonn, eine Menschenkette quer durch das Revier auf die Beine stellen – von Krupp-Rheinhausen bis zum Hoesch-Stahlwerk nach Dortmund. Der Landesbezirk des DGB, der sich im Dezember noch geziert hatte, landesweit zu Aktionen aufzurufen, macht diesmal mit.