Verschwörungsneurose

■ Das Neue Deutschland entlarvt die DDR-Opposition

Die „5. Kolonne“ Moskaus lebt zumeist in Berlin (West), hilft bei der alternativen Radiosendung „glasnost“ mit, schreibt in der taz Artikel und diskutiert viel über „glasnost“ und „perestroika“, praktiziert gar grenzüberschreitend die in jüngster Zeit viel beschworene neue Kultur des politischen Streits. Sie ist, wenn nicht Mitglied in der Alternativen Liste, größtenteils zumindest den Grünen nahestehend.

Die Verschwörungstheorie, die das Neue Deutschland gestern in einem Kommentar über die im Westen lebenden Hintermänner der DDR-Opposition ausbreitete, las sich dagegen ganz anders. Es ging darin vor allem um „geheimdienstliche Verbindungen“. Gemeint sind trotzdem – das zeigt sich an den im ND stigmatisierten Personen wie Roland Jahn – die inzwischen regen Verbindungen und Dialoge zwischen der links-alternativen Szene hier und der Ökopax-Bewegung in der DDR. Bei den Attacken des ND fehlt eigentlich nur noch, daß die taz als geheimdienstliches Zentrum ausgemacht wird und die Grünen zum neuen Hauptfeind erklärt werden.

So absurd das alles in den DDR-Zeitungen klingt – dahinter verbirgt sich eine sehr reale Angst, die hier im Westen manchmal gar nicht mehr vorstellbar ist: die Angst vor Öffentlichkeit. Die DDR-Führung befindet sich in einem scheinbar unlösbaren Dilemma: Einerseits propagiert sie die Bereitschaft zum Dialog nach innen, vor allem aber auch nach außen, wie man am inzwischen berühmt gewordenen SED-SPD Papier sieht. Andererseits will sie Dialogbereitschaft am liebsten hinter verschlossenen Türen praktizieren. Da bleibt es allerdings ein Dialog der Machthaber, und damit würden wir uns ebensowenig zufrieden geben wie die Ökologie-, Friedens-, und Menschenrechtsbewegung in der DDR. Max Thomas Mehr