Ermittlungen gegen acht Beschuldigte

■ Hausdurchsuchung in Berlin wegen verschwundener NS–Akten / Bundesregierung angeblich zur Übernahme des Document Centers bereit / Gestohlene Dokumente angeblich kopiert / Anfrage im Bundestag

Berlin(taz) - Im Zusammenhang mit dem Diebstahl mehrerer zehntausend NS–Akten aus dem Berliner Document Center (BDC) ist, wie gestern bekannt wurde, am Dienstag die Wohnung eines Mitarbeiters des BDC durchsucht worden. Die Aktion verlief nach Auskunft eines Justizsprechers aber erfolglos. Insgesamt wird bisher, wie die taz erfuhr, gegen acht Beschuldigte, Mitarbeiter des BDC und Militariahändler aus West–Berlin und dem übrigen Bundesgebiet, ermittelt. Als Hauptbeschuldigter gilt der suspendierte stellvertretende Leiter des unter US–Kontrolle stehenden Archivs. Der Verdacht möglicher Erpressungsmanöver habe sich bisher nicht bestätigt. Weitere Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt. Der Sprecher wies allerdings Vorwürfe zurück, die Berliner Ermittlungsbehörde habe nicht rechtzeitig auf Hinweise über umlaufende NS–Akten reagiert. Von der Existenz eines Antiquariatskataloges, in dem NS–Akten aus dem BDC angeboten wurden, habe man erst jetzt erfahren. Inzwischen hat die Bundesregierung ihre Bereitschaft bekundet, drei Millionen Mark aus dem Bundeshaushalt zu entsperren. Dies ist Voraussetzung dafür, daß die Archivbestände, ungefähr noch die Hälfte von 30 Millionen Akten, auf Mikrofilm aufgenommen werden können. Von einer vollständigen Verfilmung der Akten haben die Amerikaner eine Übergabe des Archivs an deutsche Stellen abhängig gemacht. Als offizieller Termin dafür war vor einiger Zeit schon einmal das Jahr 1990 genannt worden. Zuvor wollen die Amerikaner, wie gestern verlautete, noch die anderen Alliierten in Berlin konsultieren. Die Übernahme war gestern auch Thema eines Gesprächs zwischen dem stellvertretenden US–Bot schafter in Bonn, Dobbins, dem US–Gesandten in Berlin, Gilmore, und dem Regierenden Bürgermeister Diepgen. Die Bundesregierung forderte den SPD–Politiker Freimut Duve in diesem Zusammenhang auf, „endlich Klarheit zu schaffen“. Das Document Center müsse auf transparente und politisch kontrollierbare Weise in deutsche Verwaltung übergehen. „Es darf nicht zum Self–Service–Laden für Dokumenten–Schieber verkommen“, betonte er. Eine kleine Anfrage Duves zum BDC wird nächste Woche den Bundestag beschäftigen. Erstmals nahm auch das US–Außenministerium zu der Affäre Stellung. „Soweit jetzt feststellbar“, hieß es in Washington, existierten Kopien aller gestohlenen Originaldokumente. Weitere Auskünfte wollte man mit Rücksicht auf „mögliche Festnahmen“ nicht geben. bmm