NUKEM: Unschuld vom Lande

■ Hanauer Atomschmiede klagt beim Kasseler Verwaltungsgerichtshof gegen die im Januar verfügte Stillegung / „Wir lassen uns nicht aushungern“ / Umweltminister Töpfer und Weimar bleiben „gelassen“

Hanau (taz/ap) – Die Hanauer Atomfirma NUKEM geht zum offenen Gegenangriff gegen ihre Teilstillegung über. Am Mittwoch teilte das Unternehmen mit, man habe am 12.Februar beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel eine Anfechtungsklage gegen das Land Hessen erhoben, um eine Aufhebung der Stillegungsverfügung zu erreichen. Die vom hessischen Umweltminister Karlheinz Weimar am 15.Januar auf Weisung des Bundesumweltministeriums angeordnete Stillegung des atomaren Produktionsbereiches führt nach Angaben des Vorsitzenden des NUKEM-Betriebsrats, Wietoska, mittlerweile zu wirtschaftlichen Problemen.

Während NUKEM-Sprecher Pompetzki „auf Anweisung der Geschäftsleitung“ jeden Kommentar zum Vorgehen der Firma verweigerte, beschwor der Betriebsratsvorsitzende ein für die NUKEM-Mitarbeiter bevorstehendes Jammertal. Die Firma werde voraussichtlich noch in dieser Woche beim Arbeitsamt Antrag auf Kurzarbeit stellen, klagte Wietoska, der auch Mitglied des Aufsichtsrats der NUKEM ist. „Selbst wenn wir heute wieder die Genehmigung zur Aufnahme des Betriebes bekommen würden, hätten wir weder Aufträge noch das Material, um zu arbeiten.“ Die Verunsicherung der Kunden sei so groß, daß „sehr viele abgesprungen“ und zu Konkurrenzunternehmen abgewandert seien. Wietoska wollte Widerstandsaktionen der Belegschaft nicht ausschließen, falls die atomare Produktion nicht bald wieder aufgenommen werden könne. „Die Mitarbeiter lassen sich nicht aushungern“, sagte Wietoska. Im Betriebsrat gebe es Überlegungen, „auf die Straße zu gehen, um für den Erhalt der Arbeitsplätze zu demonstrieren“. Über das Interesse der Atomfirma, eine Klärung tatsächlich auf gerichtlichem Wege herbeizuführen, sind jedoch Zweifel aufgekommen, nachdem mit der Anfechtungsklage in Kassel nicht gleichzeitig ein Eilverfahren angestrengt wurde. Im Hessischen Ministerium für Umwelt und Energie, gegen das sich die Klage der NUKEM richtet, zeigte man sich gestern erstaunt über das Vorgehen der Firma.

Die Sprecherin von Minister Weimar, Christiane Kohl, erklärte, die NUKEM habe noch Ende Januar angekündigt, selbst die Schwachstellen der Unternehmensstruktur analysieren und ein Konzept für die Betriebsstruktur erstellen zu wollen. Die Sprecherin von Bundesumweltminister Töpfer, Marlene Mühe, sagte gegenüber der taz, man sehe der Klage gelassen entgegen. Die Teilstillegung der NUKEM sei „auf Grundlage des Atomgesetzes“ erfolgt. Töpfer sei zum Einschreiten verpflichtet gewesen, da „die Zuverlässigkeit der NUKEM nicht mehr gegeben war“. Vor einer neuen Entscheidung werde man zunächst die Ergebnisse der von den Behörden angeordneten Betriebsprüfung abwarten.

Töpfer hatte die NUKEM-Abteilung, in der Brennelemente für Forschungs- und Hochtemperaturreaktoren hergestellt werden, wegen Zweifeln an der Zuverlässigkeit des damaligen Managements aussetzen lassen. Bereits am 17.Dezember war die Transportabteilung der Transnuklear stillgelegt worden. Betroffen sind bei NUKEM rund 200 der etwa 800 Mitarbeiter, bei Transnuklear 50 von 130 Arbeitnehmern. gero