Aggressive CDU-Ideen zur Außenpolitik

CDU-Außenpolitiker legen mit Geißler Diskussions-Entwurf vor / Durch die Stärkung gesamtdeutschen Bewußtseins sollen „die Voraussetzungen zur Wiedergewinnung der deutschen Einheit“ gefördert werden / Europäische Großmachtphantasien  ■ Aus Bonn Oliver Tolmein

In der CDU nichts Neues, hakt die Frankfurter Rundschau, die sich tagelang am deutschlandpolitischen Unionskrach erfreut hat, die Substanz des kompletten außenpolitischen Diskussionsentwurfs aus dem Hause Geißler ab. Und auch die FAZ gibt nach einem halben Dutzend böser Kommentare schließlich deutschlandpolitische Entwarnung: Nichts revolutionäres enthalte der Kommissionsentwurf, der auf dem nächsten Parteitag abgestimmt wird. Wenig aufgeregt über das 40 Seiten Papier ist auch die Süddeutsche Zeitung. Generalsekretär Geißler kann sich freuen. Das nicht so neue, aber immer klarer und schärfer artikulierte deutsche Selbstbewußtsein – im Kern immer noch gesamtdeutsch gedacht – wird als Regierungskammerton nicht nur akzeptiert, es fällt kaum noch auf. Ein deutschlandpolitisches Konzept, das von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit spricht, wechselseitige Verflechtungen für sinnvoll und innerdeutsche Städtepartnerschaften für ausbaufähig hält, gilt fast als „links“. Dabei wird weder der Wiedervereinigungsanspruch, noch das Konzept der einheitlichen Staatsbürgerschaft aufgegeben; und auch die Erfassungsstelle in Salzgitter ist ein wichtiger Bestandteil von Geißlers Deutschlandpolitik. Der Unterschied zu den Vertriebenenverbänden und der CSU liegt nicht in der nationalen Zielsetzung der Politik, sondern betrifft die Methode, wie diese im Bewußtsein der Bevölkerung besser verankert werden kann. Deswegen ist Geißlers Konzept tatsächlich mehr „als tagespolitischer Pragmatismus“: „Es stärkt das Bewußtsein der Deutschen, einem Volk und einer Nation anzugehören und fördert damit die Voraussetzungen zur Wiedergewinnung der deutschen Einheit.“ Das Diskussionspapier leugnet aber nicht nur das Existenzrecht der DDR. Das Konzept, das Heiner Geißler mit der keineswegs nur aus sogenannten „Modernisierern“ bestehenden Kommission erarbeitet hat, ist auch in der Substanz der anderen Teile höchst aggressiv.

„Die Ost-West-Spannung“, argumentierte Geißler auf der Pressekonferenz, „hat ihre Ursache in der grundsätzlichen Unvereinbarkeit von Diktatur und Demokratie“. Südafrika und die Sowjetunion werden en passant auf eine politische Stufe gestellt: „Wir müssen nicht nur die Rassenapartheid bekämpfen, es gibt auch eine Glaubensapartheid gegen evangelische und katholische Christen oder gegen Juden in den kommunistischen Diktaturen“.

„Erst wenn Europa ein Kontinent der Menschenrechte und der gewaltfreien Konfliktregelung, der Freizügigkeit und des freien Austausches von Meinungen und Informationen ist, ist der Frieden dauerhaft gesichert“, schreibt der Diskussionsentwurf den expansiven Anspruch der „Wertegemeinschaft NATO“ (Geißler) fest. Zehn Seiten später wird der besondere Beitrag der – selbstverständlich wesentlich von der BRD geführten – EG an der „Sicherung lebenswichtiger Interessen“ beschrieben: „Die Europäische Gemeinschaft (muß) auch die Voraussetzungen dafür schaffen, daß sie Staaten, die durch aggressive Diktaturen bedroht werden, wirksam beistehen kann... Die CDU tritt dafür ein, daß die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) ihr ganzes politisches Gewicht für die Verwirklichung der Menschenrechte in aller Welt ein setzt.“ Das politische Ziel der „Vereinigten Staaten von Europa“, hat für die außenpolitischen Pläne der CDU insgesamt herausragende Bedeutung. Auf diesem Weg kann nicht nur – mit einem kleinen Schlenker, aber ohne daß internationale Proteste riskiert würden – der deutsche Anspruch auf die Atombombe realisiert werden; so wird auch versucht, das ökonomische und militärische Kräfteverhältnis innerhalb des westlichen Bündnisses zugunsten der BRD zu verschie ben. Bis 1992, sieht der Diskussionsentwurf vor, soll ein EG- Binnenmarkt installiert sein: „Ein gemeinsamer Binnenmarkt mit über 320 Millionen Menschen wird die Gemeinschaft zum größten Markt der Welt machen, ..neue Wachstumsimpulse freisetzen und damit entscheidend die Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft auf den Weltmärkten stärken.“

Es ist nicht die Orginalität oder Neuheit der Gedanken, die die besondere Qualität des Diskussionspapiers ausmacht. Die CDU hat es damit aber geschafft, die aktuelle, konservative Regierungspraxis um eine programmatische Zielsetzung zu ergänzen, die die internen Auseinandersetzungen in regulierbare Bahnen lenkt. Die griffigen Formulierungen erhöhen die Akzeptanz für den aggressiven deutschnationalen Kurs im öffentlichen Bewußtsein. Die Konservativen gehen ideologisch in die Offensive – und es ist bisher keine Kraft absehbar, die ihnen politisch etwas entgegenzusetzen hätte.