CDU mobilisiert gegen Abtreibungen

„Schutz des ungeborenen Lebens“ im Zentrum eines Diskussionsentwurfes zum Programmparteitag / Neues Finanzierungsmodell für die „versicherungsfremde Leistung“ Abtreibung / Weiteres Thema ist Gentechnologie  ■ Aus Bonn Oliver Tolmein

Die CDU fordert eine von Bund und Ländern breit angelegte „Kampagne zum Schutz des ungeborenen Lebens“, die finanziell mindestens in gleicher Höhe ausgestattet werden soll wie die AIDS-Kampagne. Nach dem Willen der Unionsparteien sollen Abtreibungen nicht mehr von Krankenversicherungen finanziert werden. Stattdessen soll die Finanzierung als „versicherungsfremd“ qualifiziert und den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung aus Bundesmitteln erstattet werden.

Diese Forderungen werden in dem 50seitigen Papier „Das christliche Menschenbild als Grundlage unserer Politik“ erhoben, das CDU-Generalsekretär Geißler gestern vorgestellt hat. Das Papier dient der Vorbereitung des Parteitags im Juni und wurde von einer bemerkenswert zusammengesetzten Kommission erarbeitet: Neben Gesundheitsministerin Süßmuth ist in ihr auch die rechtsaußen in der Union angesiedelte Abtreibungsgegnerin Gräfin von Westphalen vertreten. Bei der Vorstellung des Entwurfs sprach sich Geißler gegen eine Verschärfung des Wortlauts des §218 aus: „Das Gesetz muß nicht geändert, es muß endlich angewendet und darf nicht mehr mißbraucht werden.“

Ein weiterer Schwerpunkt des Papiers, das in den kommenden Wochen diskutiert wird, bevor der Bundesvorstand es zu einem Leitantrag für den Parteitag macht, ist die Gentechnik. Die CDU spricht sich in dem entsprechenden Abschnitt für die Möglichkeit aus, „in begründeten Fällen“ Gendiagnostik am Menschen zu erlauben. Gendiagnostische Reihenuntersuchungen bei Neugeborenen sollen allerdings ver boten werden. Dafür scheinen „freiwillig“ durchgeführte Genomanalysen bei Arbeitnehmern vertretbar. Bemerkenswert ist, daß sich das Papier auch mit dem Thema „Sterben“ beschäftigt. Zwar lehnt der Entwurf eine Veränderung des Status Quo im Strafrecht ab, es wird auch Kritik an der, „Apparatemedizin“ genannten, Intensivmedizin geübt. „Die Möglichkeiten der modernen Medizin rechtfertigen nicht ihren Einsatz um jeden Preis“ heißt es in dem zweiseitigen Kapitel. Aktive Sterbehilfe wird aber als unethisch verurteilt.

Ausführlich werden auch die Eckpfeiler der CDU-Sozialpolitik erläutert. Der Kommission erschien notwendig, vor allem die zukünftige Pflegepolitik zu skizzieren – angesichts des völlig folgenlos gebliebenen Kanzlerversprechens von 1982, sofort eine Verbesserung der Situation Pflegebedürftiger zu bewirken, ein fragwürdiges Unterfangen.

Das neue Papier stellt zwar fest, daß grundsätzlich die häusliche Pflege der stationären Unterbringung vorzuziehen ist, aber „die Heime dürfen in ihrer wertvollen Arbeit nicht diskriminiert werden“. Häusliche Pflege soll weiterhin vor allem von Angehörigen geleistet werden, deren Verdienstausfall durch Pflegegeld vermindert werden soll.

Die sozialpolitischen Vorstellungen, die in dem umfangreichen Kommissionskatalog aufgeführt werden, entsprechen im wesentlichen den bekannten CDU-Positionen: Langfristig soll das Ehegattensplitting durch ein Familiensplitting abgelöst, das Kindergeld ab dem zweiten Kind angehoben, der Erziehungsurlaub auf drei Jahre verlängert werden. Christliche Solidarität mit den Arbeitslosen heißt Geißlers Worten zufolge auch, die Arbeitslosenstatistik zu bereinigen, so daß Teilzeitarbeitsuchende und jugendliche Arbeitslose nicht mehr in der Gesamtstatistik auftauchen.