Kurzer Prozeß mit Machtverhältnissen

Die Frankfurter Frauenszene ist sauer auf Alice Schwarzer: auf eigenmächtige Initiative der „EMMA“ – Herausgeberin wird das Frankfurter Frauenarchiv nach Köln verlegt / Soll mit dem Orstwechsel ein ideologischer Kurswechsel erreicht werden?  ■ Von Elisabeth Kiderlen

Ab 1.März stehen BesucherInnen und NutzerInnen des Feministischen Archivs in Frankfurt vor verschlossenen Türen – der Laden hat vorerst dicht gemacht, und wird irgendwann Ende dieses Jahres in Köln, in bestrickender EMMA-Nähe, wieder eröffnet. Die Leitung – so hört man – will Alice Schwarzer selbst übernehmen. Ob das dem Archiv guttun wird, sei dahingestellt. Vorerst ärgern sich die FrankfurterInnen, die sich zunehmend an diese hervorragende Einrichtung gewöhnt haben, daß ihnen ohne plausible Begründung diese Informations- und Materialquelle weggenommen wird, und empören sich die neun Mitarbeiterinnen, denen der Beschluß des Vorstands ohne vorherige Diskussion letzten Oktober vor den Latz geknallt wurde. O- Ton Alice Schwarzer,Vorstandsvorsitzende: „Der Beschluß ist getroffen und unumstößlich.“ Basta!

Warum das Archiv für viel Geld und Aufwand jetzt umziehen muß, läßt Spekulationen noch und noch zu.Die von Ailce Schwarzer neu kooptierte Vorstandsfrau Dorothee Vorbeck, als SPD-Mitglied ausgewiesene Feministin, meinte auf Anfrage: „Es gab inhaltliche Konflikte. Es soll nicht unter bloß frauenpolitischen Aspekten, sondern unter feminstischem Aspekt Material gesammelt und archiviert werden.“ Was immer das heißt. Und weiter: „Das Archiv hat es nicht geschafft, Anstöße für die feministische Forschung zu geben, die z.Zt. nicht so toll drauf ist. Das wird sich dadurch verbessern, daß Alice Schwarzer sich in Köln täglich drum kümmern kann.“ Heiliger Strohsack, was für eine Ignoranz!

Wenn irgendwas in der Frauenszene im Moment spannend ist, so ist es die feministische Forschung. Aber wahrscheinlich meint solch ein Satz nur: Die Forschung, die Alice Schwarzer genehm ist, ist im Moment nicht so toll drauf und soll auf Vorderfrau gebracht werden. Denn: Die Diskussionen, wo sie sich nicht ge rade um Pornografie-Erniedrigung und Gewalt gegen Frauen, oder Abtreibungsverbot-Unterdrückung der Frau drehen, ziehen an ihr vorbei. Die neueren, Fragestellungen: Wie läßt sich eine Gesellschaft denken, die von weiblichen Bedürfnissen ausgeht, die Möglichkeiten einer flexiblen Lebensgestaltung vorsieht, mit Zeit für Kinder oder private Obsessionen und Beruf, für Männer wie für Frauen, diese Fragestellungen sind der „Emma“-Herausgeberin zutiefst suspekt, tendenziell Verrat. Was heißt in diesem Zusammenhang also: Das Archiv soll unter feministischen Kriterien Material sammeln, und nicht unter bloß frauenpolitischen?

Die Archivfrauen beharren darauf, ihren Auftrag satzungsgemäß erfüllt und das archiviert zu haben, was für die Frauenbewegung relevant ist. Sie haben eine Dokumentation der neuen Frauenbewegung „auf allen Ebenen“ zusammengetragen, auch die sogenannte graue Literatur, wie Flugblätter, Protokolle, Zeitschriften. Sie haben wissenschaftliche Literatur gesammelt und die Tagesauseinandersetzungen verfolgt. „Die Arbeit des Archivs wird um mindestens ein Jahr zurückgeworfen“, sagen die jetzigen Mitarbeiterinnen. Was jetzt wie anders werden soll, weiß keine, anscheinend auch nicht Alice Schwarzer. Bei einem drei Monate lang immer wieder verschobenen Treffen mit den Archivfrauen verlangte sie von jenen ein inhaltliches Konzept verlangte, was sie in Köln anders machen wollen. Dabei war das „anders machen“ doch eine Begründung für den Zug ins fröhliche Rheinland.

Von den neun Frauen haben sieben gekündigt. „Wenn es um die Verantwortlichkeit für die Arbeit geht, sitzen wir alle in einem Boot, wenn es jedoch um Entscheidungen geht, geht es zu wie im Feudalismus.“ Die Herrin entscheidet und die finanziell abhängigen Untergebenen haben – ohne für sie einsichtige Argumente – zu spuren. Letztere haben es allerdings versäumt, bei ihrer Dienstherrin in die Lehre zu gehen und den geschickten Umgang mit Macht zu lernen. Vielleicht hätten sie sonst nicht so naiv auf den Erfolg eines kooperativen Gesprächs vertraut, sondern wären rechtzeitig an die Öffentlichkeit gegangen oder hätten altbewährte Kampfformen aus der antiautoriären Revolte wiederentdeckt.

Bewundern kann man Alice Schwarzer für ihre Fähigkeit, sich immer solche Leute in den Vor stand zu holen, die entweder „keine Zeit haben, sich detaillierte Informationen zu verschaffen“ (Margarethe Mitscherlich) oder, als Sozialdemokratinnen (Dorothee Vorbeck) garkein genaues Verhältnis zu feministischen Bewegung haben. So kann Alice Schwarzer in der „Frauenabteilung“ der Reemtsma-Stiftung schalten und walten, wies ihr beliebt. Dort wird sie sowieso für die alleinseligmachende Verkör perung des Feminismus gehalten. Den Frauen vom Feministischen Archiv ist dieser Segen allerdings schlecht bekommen. „Machtverhältnisse sind in diesem Vorgehen zum Tragen gekommen“, so zwei Mitarbeiterinnen, „wie sie jedem Verständnis emanzipierter und feministischer Arbeitsformen Hohn sprechen“.

Weshalb jetzt also dieser Umzug? „Das Archiv soll stärker mit EMMA verbunden werden“, so begründet die inzwischen wegen Arbeitsüberlastung zurückgetretene Margarethe Mitscherlich die einstimmige Entscheidung des damaligen Vorstands (drittes Mitglied war Christa Reinig), „mit der Energie, die von dieser Zeitschrift ausstrahlt“. Die Energie zur Machtkonzentration, zur ideologischen Kartellbildung ist allerdings zu sehen. Und dafür eignet sich die Bischofsstadt Köln mit Sicherheit gut.