Frankreichs Chef-“Terrorist“ verhaftet

Fünf Separatisten aus dem französischen Teil des Baskenlandes liefen in einen Hinterhalt der französischen Polizei / Verhaftung als Wahlkampfhit für Chirac / Gerüchte über Denunziation durch Vorbild-Organisation ETA  ■ Aus Paris Georg Blume

„Die Ideen von einem bewaffneten Kampf kommen auch hier im Norden der Pyrenäen voran.“ Jacques Bidart, dessen ganze Familie – seitdem der Vater gegen Franco kämpfte – in der baskischen Separatistenbewegung aktiv ist, war bisher von den Aktionen seines Bruders Philippe überzeugt. Doch seit diesem Wochenende sitzt der Bruder hinter Gittern. Philippe, 1953 geboren, Chef der baskischen Untergrundorganisation Iparretarrak und seit einem Jahr Frankreichs meistgesuchter „Terrorist“, geriet in der Nacht zum Samstag in Bayonne mit den vier führenden Mitgliedern seiner Gruppe in einen Hinterhalt der französischen Polizei.

Für den französischen Premier Jacques Chirac ist es ein Wahlkampf-Hit, im französischen Baskenland hingegen wird sich in die Erleichterung der einen die Enttäuschung der anderen mischen. Mit der Festnahme von Bidart und seinen Kollegen scheint die erste und einzige bewaffnete baskische Untergrundorganisation in Frankreich gesprengt. Doch sei dies mit Vorsicht gesagt. Denn anders als beispielsweise Action Directe hat Iparretarrak (IK) bis heute auf einen relativ breiten Sympathisantenkreis im französischen Baskenland zählen können.

Für die älteren Basken nördlich der Pyrenäen war IK stets eine Jugendbewegung. Mitte der siebziger Jahre meldete sich mit Iparretarrak eine neue militante Generation zu Wort. Hatten die älteren immer noch Franco im Gedächtnis und sahen die Priorität des Unabhängigkeitskampfes im Süden, wollten die Jüngeren nun den großen Bruder ETA in Frankreich imitieren. Mit mehr symbolischen als gewalttätigen Aktionen wurde IK aktiv: Französische Fahnen verbrannten, kleinere Anschläge auf staatliche oder touristische Einrichtungen wurden verübt. Das aber reichte der französischen Polizei, um schon gegen Ende der siebziger Jahre mit Großeinsätzen gegen IK tätig zu werden. IK-Mitglieder fühlten sich gezwungen, in den Untergrund abzutauchen. Nach Polizeiangaben soll Philippe Bidart zwischen 1982 und 1987 verantwortlich sein für den Mord an vier Polizisten, mit denen es bei Routinekontrollen zu Schußwechseln kam.

Nach der Festnahme Bidarts mangelt es nicht an Gerüchten, die der ETA den Verrat des IK-Verstecks an die Polizei unterstellen. Die ETA, so heißt es, gerade auf dem Weg zu Verhandlungen mit der spanischen Regierung, könnte sich der für die Einheitsstrategie unbequemen radikalen IK entledigt haben wollen. Andere jedoch behaupten, daß sich ETA und IK nach der jüngsten Verstärkung der französisch-spanischen Repression im Baskenland näher gekommen seien und ein ETA-Verrat deshalb ausgeschlossen sei. Die Familie Bidart werden diese Spekulationen wenig kümmern.