„AufRuhr“ vor der Montan-Runde

■ Künstler, Politiker und Gewerkschafter werben beim DGB-Aktionstag um Solidarität für die Arbeiter im Pütt

Im Vorfeld der Montan-Runde am Mittwoch in Bonn will der DGB mit regionalen Aktionen von Stahlarbeitern Druck auf die Bundesregierung ausüben. Unter dem Motto „Ja zum Revier“ versuchen Gewerkschaften und SPD, beim Bund um Mittel für die strukturgebeutelten Regionen vor allem an Rhein und Ruhr zu werben. Doch bereits jetzt bahnt sich an, daß es zumindest in der Frage der vorgeschlagenen „Zukunftsinitiative Montanregionen“ keine Einigung geben wird. Alle beteiligten Parteien werfen sich gegenseitig das Fehlen zündender Konzepte vor.

Rheinhausen (taz) – Geladen hatten der Deutsche Gewerkschaftsbund, die IG Metall und die Organisation „Künstler in Aktion“, und rund 300 Künstler sind der Einladung zum Solidaritätskonzert für die Rheinhausener Stahlarbeiter gefolgt. In der riesiegen stillgelegten Werkshalle von Krupp drängeln sich fast 35.000 Zuhörer. Das Publikum ist buntgemischt wie die auftretenden Musikgruppen: Stahlarbeiter mit weißen Schutzhelmen stehen dicht an dicht mit Punks und applaudieren den „Toten Hosen“ genauso wie der Bergmannskapelle mit Schalmeien.

Eben noch etwas unschlüssig und orientierungslos in der Menschenmasse am Eingang des alten Walzwerks, arbeite ich mich zum Stand des Hauptveranstalters vor, zur IG-Metall-Jugend: Rot, Weiß und Gelb leuchten mir die special AufRuhr-Sweatshirts entgegen. „Das ist ja Reklame! Was soll das denn?“, meint der Schreier von vorhin und dreht ab in Richtung Veranstaltungsbühne.

„Wir begleichen mit dem Erlös des Festivals den Lohnausfall der Streikenden“, gibt Andreas von der IGM-Jugend Auskunft. Was sie sich von dem Festival erhoffen, will ich von ihm und dem anderen Krupp-Azubi Stefan wissen: „Möglichst viel Geld für unser Spendenkonto Rheinhausen.“ Derartig motiviert kaufe ich umgehend einen der blaßgelben Auf-Ruhr-Buttons.

Vorbei an der langen Schlange vor dem „Solidaritäts-Döner“- Stand des türkischen Arbeitervereins Duisburg hin zu einem der wenigen Sitzplätze am Biertisch. „Vielleicht sollte ich mein Zimmer mit Blick aufs Walzwerk vermieten“, tönt es von der anderen Seite des Tisches zu mir rüber. Gehts denn hier auch nur um Geld? „Ja klar!“, erklärt mir mein Gegenüber, „das Ganze hier ist doch reine Public Relation für die IG-Metall.“ Und weiter: „Mit Krupp und dem Stahl ist doch sowieso alles den Bach runter. Die Gewerkschaft bläst sich nur auf, für die Arbeiter tut sie effektiv nix!“ Der, der hier so entschlossen über die IGM urteilt, war bis 1983 Dreherlehrling bei Krupp und Vertrauensmann der Gewerkschaftsjugend. Eine SDJlerin aus Augsburg mischt sich empört in unser Gespräch ein und will wissen, warum er überhaupt hierher gekommen sei, wenn er doch eh alles blöde fände. „Na ja, ich wohn eben in Rheinhausen, bin Duisburger“, sagt er, und: „Die meisten sind sowieso nur wegen der Musik hier. Die Solidarität“, höhnt der ehemalige Vertrauensmann der IGM-Jugend, „die gibts hier noch nicht mal so selbstverständlich betriebsintern. Die Alten gucken die Jungen schief an, weil sie denken, die nehmen ihnen die Arbeitsplätze weg.“

Jetzt hab ich aber dringend das Bedürfnis nach positiveren Klängen. Bei einem kurzen Blick auf das Presseprogramm finde ich mich umringt von etwa sechs bis acht Jugendlichen, die alle wissen wollen, wann Klaus Lage und Herbert Grönemeyer „dran sind“. „Na klar sind wir wegen der Musik hier! Warum denn sonst?“, heißt es lakonisch auf meine Frage, was sie sich vom Festival versprechen.

Durch das Gedränge im hinteren Teil der Halle angelangt, trau ich meinen Augen nicht: Für 37,50 Mark verkauft hier ein Holländer Stahlkocherfigürchen, eine Urkunde über die historischen Daten des Krupp-Werks inclusive. Laut Vertrag erhält die IGM zehn Mark pro „verkauftem Stahlarbeiter“. Der Dreher am Biertisch scheint gar nicht so schief zu liegen.

Vorne von der Bühne schallen Grüße. Senta Berger, Konstantin Wecker, Klaus Hoffmann, Katja Ebstein, Ulla Meinecke und Hannes Wader – alle gedenken der Stahlarbeiter. Und der Betriebsratsvorsitzende Manfred Bruckschen sagt zum Thema „Resignation in Rheinhausen“: „Wir sind heute hier zusammen, weil der Kampf weitergeht. Wir sind heute wie eine große Friedensbewe gung.“ Viel Applaus für solche Töne ... Noch mehr Applaus für Klaus Lage. Und dann kommt ER: „Der Mann von nebenan, der Mann aus dem Ruhrgebiet“ (so die Moderation), Herbert Grönemeyer.

Wunderkerzen, Feuerzeuge gehen an, das etwa 35.000 starke Publikum gröhlt, tobt, schreit: „Herbert, sing doch Currywurst!“ Und Herbert, der hier nicht lange „rumsülzen“ will, singt „Currywurst“. Alle schunkeln glücklich. Ich auch.

Grönemeyer for President? Das will er auf keinen Fall: „Die Führerfigur liegt mir nicht. Ich will nur Mut machen, mehr kann ich als Künstler auch nicht tun.“ Anne Weber