Der Hanswurst-Ausschuß zum Atomskandal

Euro-Untersuchungsausschuß drohte gleich beim ersten Hearing zu platzen / Weil die EG-Kommissare ihr Erscheinen verweigerten, drohten die Sozialisten mit Auszug / Auch leitender CEN-Angestellter aus Mol blieb fern / Trotz Frust – Arbeit soll weitergehen  ■ Aus Brüssel Th. Scheuer

Die Premiere ging gleich voll in die Hose: Die beiden zuständigen EG-Kommissare Clinton-Davis und Mosar verweigerten am Montag beim ersten zweitägigen Hearing des Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments zur Aufklärung des Skandals um Atommüll-Schiebereien und Proliferation ihr Erscheinen. In einem Brief vom 17.2. hatte Kommissions-Chef Delors dem Parlament noch beteuert, man habe „die Absicht, so eng wie möglich mit dem Ausschuß zusammenzuarbeiten“. Auf eindringliches Bitten des Ausschusses mochte die Kommission am Montag dann aber le diglich eine Handvoll höherer Beamter aus ihrem Glaspalast in Bewegung setzen. Diese erklärten, die Kommission werde „erst sprechen, wenn sie etwas Präzises sagen kann“, wenn also ihre eigenen Untersuchungen abgeschlossen seien. Mit Kommentaren wie „Skandal“, „Mißachtung parlamentarischer Rechte“ bis zu „ekelhaft“ quittierten die empörten Abgeordneten quer durch alle Fraktionen das Verhalten der Kommission. Ihr skandalöses Verhalten lege den Verdacht nahe, daß „die Kommission in dieser Verschwörung unter einer Decke mit der Atom-Industrie steckt“, erregte sich der britische Sozialist Smith.

Der Small Talk mit den Kommissions-Beamten blieb weitgehend substanzlos: Mit wachsweichen Umschreibungen wichen sie konkreten Fragestellungen aus. Das gesamte spaltbare Material innerhalb der Gemeinschaft stehe unter ständiger und lückenloser Überwachung der EURATOM, wurde wie immer versichert. Derlei Beteuerungen blieben widersprüchlich: Denn „daß da was verschwindet,“ konnte sich Herr Menastopolos, zuständiger Generaldirektor in der Kommission, zwar „nicht vorstellen“, doch „daß es sowohl während des Transportes als auch zwischen zwei Kontrollen zu Unregelmäßigkeiten kommen kann“, konnte er wiederum „nicht ausschließen“. Die Ausführungen des für die EURATOM-Safeguards zuständigen Direktors Dr. Gmelin wiesen auf mögliche Lücken in den Kontrollsystemen: So erfaßt die Buchhaltung der EURATOM alles Spaltmaterial, das aus europäischen Atomanlagen „raus- oder reingeht“. Der Transport wird jedoch nicht überwacht. Die ungeheuren Mengen von Spaltmaterial, die ständig in Bewegung sind, zirkulieren also unbeaufsichtigt. Ferner bricht die EURATOM-Buchhaltung an den Werkstoren „gemischter“, also sowohl zivil als auch militärisch genutzter, Anlagen ab. Eine andere Überwachungslücke eröffnete Gmelins Vorgesetzter Manestopolos: Die Safeguards üben keinerlei Abfall-Kontrolle aus, es sei denn, dem Atommüll kommt „strategische Bedeutung für nicht-zivile Zwecke zu“. Das heißt: Sobald spaltbares Material als Müll deklariert ist, verschwindet es aus den Augen und Bilanzen der Safeguards.

Am Dienstagmorgen ließ das Nicht-Erscheinen eines leitenden Angestellten des belgischen Kernforschungszentrums CEN in Mol die Abgeordneten erneut am Sinn des Unterfangens zweifeln. Der Belgier Staes schlug „die Umbenennung in Hanswurst-Ausschuß“ vor.

Tatsächlich herrscht weithin Unklarheit über die Befugnisse des Ausschusses. Als äußerst unglücklich erwies sich die Besetzung des Vorsitzenden durch den britischen Konservativen Sherlock. Seine unengagierte Diskussionsleitung legt Zweifel an seinem Interesse nahe. Er entblödete sich auch nicht, Frau Bloch von Blottnitzens Nachfrage zum „Umflaggen“ von Uran mit der Bemerkung abzubügeln, das Thema Partnertausch gehöre eher in den Frauenausschuß. Trotz des Frusts beraumte der Ausschuß drei weitere Hearings an. Im April-Hearing steht Hanau auf dem Programm. Dann soll auch Bundesumweltminister Töpfer nach Brüssel kommen. Mal sehen, wer noch kommt – oder auch nicht.