Revier gibt Feuerzeichen an Kanzler Kohl

Im Kampf um Arbeitsplätze setzt die IG Metall auch auf Menschenkette / 73 Kilometer langer Wurm von Fackelträgern durchs Ruhrgebiet / Die Kumpels sind nicht unbedingt für die neue Aktionsform: „Hängt vom Wetter ab, ob ich hingehe“  ■ Aus Bochum Anne Weber

„1.000 Feuer an der Ruhr – gemeinsam für das Revier“, unter diesem Motto plante die IG Metall für gestern abend, am Vorabend der Montanrunde in Bonn, eine 73 Kilometer lange Menschenkette quer durch das ganze Ruhrgebiet. Unter der Schirmherrschaft der Oberbürgermeister des Reviers sollten Fackelfeuer den Weg der Kette von Duisburg-Rheinhausen bis nach Dortmund kenntlich machen. Die IG Metall schien alles im Griff zu haben und eine lückenlose Kette auf die Beine stellen zu können. Am Montag liefen die Vorbereitungen auf vollen Touren: Immensen Planungsaufwand betrieb die Gewerkschaft in Bochum. Hier sollte über eine Strecke von 16 Kilometern einer der längsten Abschnitte der Menschenkette entstehen. Die Erwartungen sind am Montag hoch: 16.000 Leute will die IG Metall für ihre Kette quer durch die Revierstadt mobilisieren. Zu dem Fackelfeuer soll die evangelische Kirche die Glocken läuten lassen und Andachten halten.

Was die Rheinhausener ein saloppes „Händchenhalten“ titulieren, hält die IG Metall für ein „Signal für die Montankonferenz im Bundeskanzleramt“. Den Stahlarbeitern in Rheinhausen erscheint diese Aktionsform eher rückschrittlich. „Für uns hier in Bochum ist das eine große Sache“, meinte Volkmann aus der IGM-Planungsgruppe. Auch die hiesige SPD hofft, massenweise Genossen und Genossinnen aus ihren 54 Ortsvereinen für die „1.000 Feuer an der Ruhr“-Aktion auf die Beine zu bringen. Einzig die katholische Kirche und die Grünen halten sich zurück. Offiziell sind sie solidarisch, aktiv beteiligen wollen sie sich aber nicht. „Wir haben doch letzte Woche noch einen Infotisch gemacht“, lautet der Grüne Kom mentar. Die IG Metall war an der Mitarbeit von Parteien auch nicht unbedingt interessiert: „Wir haben diese symbolische Aktion überparteilich organisiert. Uns sind außer den Kumpels die Bochumer Bürger wichtig. Die sollen mitmachen und auf keinen Fall verärgert werden.“ Nach Ärger sah es keineswegs aus. In der Bochumer Innenstadt zeigten sich erstaunlich viele von der bevorstehenden Aktion informiert und blickten ihr mit Sympathie entgegen: „Streiks, Demonstrationen und sowas, das muß ja schließlich sein, gerade jetzt hier bei uns im Ruhrgebiet!“ Und die Zusammenarbeit mit der Bochumer Polizei war nach Auskunft der Metaller ebenso „einfach Spitze“, wie die mit dem Verkehrsamt. Also alles aufs Beste vorbereitet? Es schien so. Die Betroffenen aber, die auf den Straßen Bochums jeweils „einen Meter füllen“ sollen (Volkmann), weckten auch andere Eindrücke. Geht es nach einigen von ihnen, dann wird das Revier durch die Fackeln nicht allzusehr erleuchtet. „Menschenkette? Dafür laß ich doch meine Mittagsschicht nicht ausfallen, bezahlt mir doch keiner!“ „Hängt vom Wetter ab, ob ich mich mit ner Fackel dahinstell.“ Und: „Da kann ich nicht hin. Wenn auf der Arbeit von unserer Truppe nur einer fehlt, müssen die anderen doppelt reinhauen. An sowas denkt die IGM wohl überhaupt nicht!“

Die IG Metall denkt sehr wohl daran: Für Volkmann ist das aktuelle Problem der Gewerkschaft, daß die Arbeitnehmer nur konkrete und handfeste Vorschläge annehmen. Längerfristig seien Arbeitskampf und Beschäftigungsplanung nicht unbedingt ihre Sache. „Die haben natürlich in den letzten Wochen die Faxen dicke vom Demonstrieren, aber die Menschenkette kriegen wir wohl trotzdem dicht. Denn denen ist klar, daß sich diese Aktion direkt an die entscheidende Stelle, an Bonn, richtet.“ Die IGM kann zudem noch auf solidarische „Lückenbüßer“ von auswärts rechnen: Die Revierstädte haben seit etwa einem halben Jahr Unterstützung von Partnerstädten in Regionen, in denen es den Arbeitnehmern noch relativ gut geht. Für die Menschenkette in Bochum hatten sich 850 Leute aus der VW-Stadt Wolfsburg angekündigt.