Ausschuß gräbt mühsam im Atommüll

Bonner Untersuchungsausschuß zum Atom-Skandal steckt in einer Fülle von Einzelinformationen / Langwierige Ermittlungen vorauszusehen / Intensive Untersuchungen in Sachen AKW Phillipsburg  ■ Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Nach der Anhörung des Hanauer Oberstaatsanwalts Farwick im Bonner Atom-Untersuchungsausschuß gibt es zwar weiterhin keinen „strafrechtlich verwertbaren Beweis“ für den Bruch des Atomwaffensperrvertrags, jedoch eine Fülle von Einzelinformationen, die auf weitere langandauernde Ermittlungen hindeuten. Wegen eines möglichen Störfalls werde jetzt „intensiv“ im AKW Phillipsburg ermittelt, nachdem dort erst im Januar ein einsames Pellet (Uran-Tablette) im Abklingbecken gefunden wurde. Dieses Teil muß aus einem stark defekten Brennelement stammen und könnte identisch sein mit den 100 Gramm Spaltstoff aus einem vertuschten Störfall, die Transnuklear früher schon verschwinden lassen wollte, wie in einem Bericht von Umweltminister Töpfer erwähnt wurde.

Dubios ist auch die angebliche Lieferung einer medizinischen Kobaltquelle nach Pakistan durch die Gütersloher Holzverarbeitungsfirma „Wirus“. Entgegen der Darstellung Farwicks im Ausschuß sagte der Geschäftsführer der Firma auf Anfrage, es habe sich um ein altes Isotopenmeßgerät zur Materialprüfung gehandelt, das via Kernforschungsanlage Jülich ordnungsgemäß exportiert worden sei.

Verbleib und das Motiv für die nach Belgien geflossenen Gelder der Atomindustrie sind weiterhin unklar, während es sich bei den in der BRD verbliebenen fünf bis sechs Millionen Mark überwiegend „nur“ um persönliche Bereicherung zu Lasten Transnuklears gehandelt haben soll. Darüber hinaus kamen 40 Personen aus Industrie und AKWs mit geringeren Beträgen in den Genuß finanzieller „Klimapflege“.

Die CDU schließt nun, es gebe keinen Zusammenhang zwischen der Bereicherung und atomrechtlichen Delikten. Warum sich zwei Atommanager das Leben nahmen, wird dadurch nicht klarer. Auch auf Schweizer Konten wurden die gesuchten größeren Summen bisher nicht gefunden.

Die Aufklärung des Inhalts falsch deklarierter Fässer wird noch bis Jahresende andauern. Insgesamt konnte die überlastete Hanauer Staatsanwaltschaft im Komplex Transnuklear-Skandal bisher noch nicht einmal alle betroffenen Firmen-Geschäftsführer zeugenschaftlich vernehmen, wie aus dem Ausschuß berichtet wurde. Nicht nachvollziehbar blieb den Ausschußmitgliedern nach Farwicks Bericht, warum Weimar und Wallmann den Proliferationsverdacht so massiv losgetreten haben, nachdem nur eher vage Hinweise von Journalisten vorlagen. Für Union und FDP ist der Proliferationsverdacht aber jetzt quasi vom Tisch. Die Grünen hingegen wollen die Möglichkeit der Proliferation weiter prüfen, und auch für die SPD ist der Verdacht in Zusammenhang mit dem Nuklear-Verschiebebahnhof Mol nicht geklärt. Am Donnerstag und Freitag dieser Woche wird sich der Untersuchungsausschuß im Rahmen von Sachverständigen- Anhörungen mit dem Thema der internationalen Kontrollen befassen. Die FDP kündigte an, Beweisanträge zu der Umdeklaration der Herkunftsbezeichnungen von Spaltmaterial zu stellen.