Nachsicht

■ Der Gesetzentwurf der Grünen zur Vergewaltigung

Die sexuelle Gewalt an Frauen ist auch mit der Forderung nach Kriminalisierung ein öffentliches Thema geworden. Vergewaltigung ist ein krimineller Akt ganz normaler Männer, und muß als Verbrechen geächtet, stigmatisiert werden. Dieses Unrechtsbewußtsein wollte die Frauenbewegung bei den Männern durchsetzen – auch per Gesetz, und auch mit Strafen, die deutlich mit dem Alltagsbewußtsein bei Männern und Frauen brechen. Auch wenn Knast keine endgültige Lösung ist.

In diesem Dilemma bewegt sich die Diskussion seit Jahren – auch bei den Grünen. Die Fraktion hat sich ja erneut für eine einjährige Mindeststrafe ausgesprochen. Sie wollte sich damit sicher nicht auf die Seite der Vergewaltiger schlagen. Die gesetzentwürfe der Grünen haben vor allem eine ideologische Signalwirkung. Die Grünen haben zwar immer noch den fortschrittlichsten Gesetzentwurf. Aber indem sie versuchen, die Ausweitung des Strafrahmens durch Herabsetzung der Mindeststrafe auszugleichen, bekommt das Verbrechen wieder den Geruch eines Kavaliersdelikts. Die Vergewaltigungsdebatte muß extrem parteilich für Frauen entschieden werden. Der Respekt vor dem Opfer muß höher bewertet werden als die Tatsache, daß Vergewaltiger individuell sicherlich oft arme Würstchen sind. Vielleicht ist es gar kein Zufall, daß hier eine Fraktion mit Frauenmehrheit so entschieden hat. Der Beschluß paßt haargenau in die Sozialarbeiterrolle, die Frauen bei einem Delikt, das wie kein anderes die eigene Würde und Integrität verletzt, ganz selbstverständlich übernehmen. Es ist schade, daß die grünen Fraktionsfrauen den Mechanismus an dieser Stelle nicht ganz provozierend durchbrochen haben. Aber feministische Frauenpolitik ist ja in der Fraktion ohnehin nicht mehr so gefragt. Ursel Sieber