Rita in der Klemme – Angriffe von allen Seiten

Was lange währt, wird oft noch lange nicht gut. Rita Süssmuths Entwurf für ein Beratungsgesetz – seit Monaten angekündigt und noch immer offiziell unter Verschluß – sorgt schon seit geraumer Zeit für heftige Auseinandersetzungen innerhalb der Bonner Koaltion. Niemand paßt das Papier. „Erschrocken“ haben sich die FDP-Frauen im Bundestag, die gar von einer „Vergewaltigung der Schwangeren“ sprechen. Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP), Staatsministerin im Auswärtigen Amt, hat bereits Widerstand angekündigt. Denn so hat sie sich das Ergebnis der Koalitionsvereinbarungen vom Frühjahr 1987, an denen sie federführend beteiligt war, nicht vorgestellt. Natürlich sah sie in einem zukünftigen Beratungsgesetz keinerlei Verbesserung für schwangere Frauen, aber „das Schlimmste“ habe man verhindert, verkündete sie damals.

Offensichtlich nicht. Im Alleingang habe sich ihr Vorsitzender Bangemann mit der CDU geei nigt, erfuhren Adam-Schwaetzer und ihre ParteigenossInnen hintenrum. Bereits das Beratungsziel paßt den Liberalen nicht. Frauen dürften nicht zu einer Schwangerschaft überredet werden, der sie sich „seelisch nicht gewachsen“ fühlten, urteilt die FDP-Bundestagsabgeordnete Uta Würfel. Und nach Frau Adam-Schwaetzer gehen solche Formulierungen weit über die Koalitionsvereinbarungen hinaus. Besonders verärgert ist sie auch darüber, daß die einzelnen Bundesländer noch beliebig die Beratungsvorschriften verschärfen können. Da hat das ganze Bundesgesetz kaum mehr Sinn. Auch in den Reihen der C-Parteien herrscht keinerlei Einigkeit über Rita Süssmuths Papier. Für die Rechtsaußen ist der Frauenministerin ausgeklügeltes System von Zwangsberatung und Kontrolle noch lange keine ausreichende Garantie für den „Schutz des ungeborenen Lebens“. Sie wollen keine Korrekturen an der sozialen Indikation, sondern sie ganz vom Tisch. Aus Kreisen der „Christdemokraten für das Leben“ wurde daher bereits mit Parteiaustritten gedroht, falls der Entwurf so als Gesetz durchkommt. Schließlich findet es die Vorsitzende jener christlichen Vereinigung, Julia Schätzle, nicht zuviel verlangt, daß Frauen auch nach einer Vergewaltigung ihre Schwangerschaft austragen. Die Kinder können danach ja zur Adoption freigegeben werden. Wenn es nach ihr ginge, soll in Zukunft soweiso nur noch die medizinische Indikation (Gefahr für Leib und Leben der Mutter) gelten.

Auch die baden-württembergische CDU wird schwerlich zufrieden sein, wenn Süssmuth auch im wesentlichen die strengen „Richtlinien für die Schwangerschaftskonfliktberatung“ in ihren Entwurf übernommen hat, die im Südstaat bereits seit Ende 1985 gelten. Schließlich hatte Ministerpräsident Späth seiner Gefolgschaft auf dem Landesparteitag im Sommer 1987 eine weitere „Erschwerung der sozialen Indikation“ versprochen und damit eine Normenkontrollklage gegen die „Abtreibung auf Krankenschein“ vor dem Bundesverfassungsgericht verhindert. Schläge wird Rita Süssmuth auch von einigen CDU-Frauen einstecken müssen. Vergangene Woche, nachdem Heiner Geißler eine breite Kampagne gegen die Abtreibung angekündigt und die Finanzierung von Notlagen-Abtreibungen aus Bundesmitteln vorgeschlagen hatte, erklärte die Ministerin auf einer Tagung der CDU-Frauenunion: Keine Aufweichung des §218.

Daß ihr Beratungsgesetz jedoch aufs Gegenteil hinauslaufen könnte, befürchteten seit geraumer Zeit auch die Frauen der CDU-Frauenausschüsse. Sie haben sich daher gegen ein Beratungsgesetz ausgesprochen, weil sie bei allem Respekt vor dem ungeborenen Leben doch eine wesentliche Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Frau sehen. Irmgard Adam-Schwaetzer hat bereits vor einigen Wochen eine „Frauenkoalition“ gegen die Verschärfung des Abtreibungsparagraphen angedroht. Ob sich die Gegnerinnen des Beratungsgesetzes im Bundestag zur konzertierten Gegenaktion jedoch zusammenbringen lassen, gilt abzuwarten. Ulrike Helwerth