Zwangsberatung zur Mutterschaft

■ Mit dem neuen Beratungsgesetz sollen schwangere Frauen zur Mutterschaft überredet werden

Seit 1976, dem Jahr des Inkrafttretens des geltenden §218, kennt die katholische Kirche in der Bundesrepublik nur ein vordringliches Ziel: Das Gesetz muß weg. Wird der jetzt bekanntgewordene Entwurf eines Schwangerenberatungsgesetzes in der vorliegenden Form verabschiedet, ist der Klerus fast am Ziel. Zwar wird die Abtreibung nicht wieder generell unter Strafe gestellt, doch wird alles getan, um Abbrüche zu verhindern. Dem Zwang, Mutter zu werden, wird sich kaum noch eine Frau entziehen können.

„Entwurf eines Gesetzes über die Beratung von Schwangeren“ – das 32seitige Machwerk aus dem Haus der Familien- und Frauenministerin Rita Süssmuth trägt einen harmlosen Titel. Doch es enthält eine detailliert ausgearbeitete Vision eines Überwachungsstaates für Schwangere. Ein Heer von BeraterInnen, SozialarbeiterInnen, PsychologInnen wird künftig dafür zu sorgen haben, daß Frauen Kinder gebären – um jeden Preis.

Ohne den Wortlaut des Paragraphen 218 StGB anzutasten, erreicht das „Beratungsgesetz“ das langersehnte Ziel von CDU und CSU, die soziale Indikation zu kippen. Und weil die Beratungstätigkeit bis zum dritten Lebensjahr des Kindes fortgesetzt werden soll, werden Frauen künftig dem Zugriff staatlich überwachter „fürsorglicher“ Lebens- und Erziehungshilfe ausgesetzt.

Sämtliche Punkte der Koalitionsvereinbahrungen vom vergangenen Frühjahr sind übernommen worden: Anerkennung der Beratungsstellen nur dann, wenn die Beratung dem „Schutz des ungeborenen Lebens“ dient, Einbeziehung des sozialen Umfelds, zeitliche und personelle Trennung von Beratung und Indikaitonsstellung, Verpflichtung von BeraterInnen und ÄrztInnen, an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Auch die heftig umstrittene Verschärfung der Meldepflicht ist darin enthalten. Weil Ärzte nach Ansicht der Wenderegierung bisher zu „nachlässig“ Abbrüche an das Statistische Bundesamt in Wiesbaden meldeten, sollen sie jetzt Abbrüche nur dann über die Krankenkassen verrechnen dürfen, wenn sie die Meldung nachweisen. Ohne Meldung kein Geld, lautet die griffige Formel.

Nur in zwei Punkten mußten die Scharfmacher der Union zurückstecken. Entgegen den Vorstellung der baden-württembergischen Landesregierung wurde die räumliche Trennung von Beratung und Indikationsfeststellung nicht aufgenommen. Sie hätte das Aus für die integrierten Zentren bedeutet, wie sie z.B. pro familia in Hamburg oder Bremen unterhält.

Auch auf die ursprünglich vorgesehene Verlängerung der „Bedenkfrist“ zwischen Beratung und Indikationsstellung von drei auf fünf Tage wurde verzichtet: Hier hätte der §218 direkt verändert werden müssen – und das galt es offenbar penibel zu vermeiden.

Begründet wird der Gesetzentwurf in einer Sprache, die in ihrer Mischung aus pseudowissenschaftlichem Sozialarbeiterdeutsch und Lebensschützer-Jargon unerträglich ist. Auf der einen Seite werden Frauen zu unmündigen, schwachen Wesen degradiert, die unfähig sind, selbst Entscheidungen zu treffen. Da quillt der Gesetzestext nur so über von der „Sorge“ um die Schwangere, um ihre „späteren Schuldgefühle“ und „Störungendes seelischen Gleichgewichts“. Da geht es um die „Solidarität und Hilfsbereitschaft von Angehörigen“, die in die Beratung miteinbezogen werden wollen. Erreicht wird mit dieser vermeintlichen Fürsorglichkeit das Gegenteil: Männern wird die Verantwortung für eine ungewollte Schwangerschaft abgenommen. Ob psychische oder fi nanzielle Probleme, dafür ist die BeraterIn da.

Auf der anderen Seite sind Frauen unverantwortliche Egoistinnen, die nicht oft genug an ihre „Verpflichtung gegenüber dem ungeborenen Leben“ erinnert werden können. Aus der „schwangeren Frau“ soll eine „werdende Mutter“ werden – das ist das erklärte Ziel des „Beratungsgesetzes“. Einer Beratungsstelle die dieser Intention nicht nachkommt, wird die staatliche Anerkennung entzogen.

Weitere Voraussetzung ist, daß Beratungsstellen künftig nicht nur auf alle staatlichen Hilfe und Stiftungsgelder hinweisen, sondern sich auch an der Geldvergabe direkt beteiligen müssen. Ein Ansinnen, gegen das sich pro familia bislang immer noch erfolgreich zur Wehr setzen konnte. Aber der Gesetzentwurf geht hier noch weiter: BeraterInnen haben die betroffene Frau auch auf Behördengänge zu begleiten oder sie in Fragen der Ausbildung, Wohnungssuche u.ä. konkret zu unterstützen.

Da schwangere Frauen einen Rechtsanspruch auf diese Form der Beratung haben sollen, wurde ein bundesweiter Verteilungsschlüssel von 400.000 Einwohnern pro BeraterIn festgelegt: Die Finanzierung dieser flächendeckenden Maßnahme haben die Länder zu übernehmen.

Künftig wird eine ungewollt schwangere Frau wohl ohne Mühe eine BeraterIn finden. Sollte sie sich trotz deren Überredungskünsten zu einer Abtreibung entscheiden, wird sie dafür umso größere Schwierigkeiten haben, eine ÄrztIn zu finden, die für sie eine Notlagen-Indikation feststellt. Denn nicht nur die BeraterInnen sollen zu Fortbildungsmaßnahmen verdonnert werden, sondern ebenso müssen die ÄrztInnen „mindestens einmal jährlich“ Nachhilfeunterricht in konservativer Weltanschauung nehmen. Verstöße gegen die Auflagen des Beratungsgesetzes werden mit Bußgeldern bis zu 10.000 DM geahndet.

Wie bei der Anerkennung der Beratungsstellen ist auch hier festgehalten, daß die Länder „weitere Anerkennungssetzungen bestimmen“ können. Die Landesregierungen von Bayern oder Rheinland-Pfalz könnten dann z.B. festlegen, daß diese Kurse alle viertel Jahr stattzufinden haben oder daß Ärztinnen und Ärzte Prüfungen abzulegen haben. Oder daß nur noch bestimmte Fachärzte anerkannt werden – der Phantasie der Lebensschüter, das Beratungsgesetz in ihrem Sinne auszubauen, sind keine Grenzen gesetzt. Helga Lukoschat