Mit niemandem reden, auch nicht mit der Presse

■ Nach der Bannverfügung gegen Südafrikas Anti–Apartheid–Organisationen: Nächste Woche soll vor Gericht beantragt werden, die jüngsten Ausnahmebestimmungen für unrechtmäßig zu erklären / „Hier wird doch nie etwas besser“

Aus Johannesburg Hans Brandt

Das „Friedenshaus“, Sitz des südafrikanischen Kirchenrates (SACC) ist von einem Trauerrand umgeben. Vom sechsten Stock hängen zwei schwarze Stoffbahnen bis auf die Straße, dazwischen ein Transparent: „Nicht verbieten, sondern zuhören!“. An der nächsten Strassenecke sitzen zwei Sicherheitspolizisten im Auto, es könnte zu noch handfesteren Protestaktionen gegen die Bannverfügungen über Anti–Apartheid–Organisationen kommen. Im „Friedenshaus“ werde ich fast mit Gewalt aus dem Büro des Unterstützungskomitees für die Eltern von Häftlingen (DPSC) herausgeworfen. „Wir sprechen mit niemanden, auch nicht mit der Presse“, schreit ein Mitarbeiter und knallt mir die Tür vor der Nase zu. Ein Plakat neben der Tür formuliert etwas zurückhaltender, welche Auswirkungen das Verbot der Menschenrechtsorganisation hat: „DPSC hat seine Türen geschlossen, während die Rechtslage untersucht wird.“ Tatsächlich werden sowohl die Vereinigte Demokratische Front (UDF), die Gewerkschaftsföderation COSATU, DPSC und die Kampagne zur Freilassung Man delas (RMC) als auch verschiedene Einzelpersonen nächste Woche gemeinsam vor Gericht beantragen, daß die jüngsten Ausnahmebestimmunen für unrechtmäßig erklärt werden. Doch selbst wenn dieser Antrag erfolgreich sein sollte, könnte die Regierung schon am Tag danach neue Bestimmungen verhängen. Nur die Studenten teilen die bedrückte Stimmung in der Opposition bisher noch nicht. An der Witwatersrand Universität in Johannesburg haben sie sich am Donnerstag zu einer ganztägigen Protestveranstaltung versammelt. Wie immer singen sie Freiheitslie der zum Lob des verbotenen Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und seiner Militärorganisation „Umkhonto we Sizwe“ (“Speer der Nation“). Die Militanz der Studenten mag ungebrochen sein; für die Redner gilt das nicht. Aubrey Mokoena, führendes Mitglied der „Kampagne für die Freilassung Mandelas“ (RMC), ist ein feuriger Redner. Am Donnerstag aber merkt man ihm an, daß er ein Risiko eingeht, indem er öffentlich als Vertreter der verbannten RMC spricht. So bittet er die Studenten, ein andächtiges Freiheitslied zu singen, während er übers Mikrofon die Opfer der Apartheid aufzählt: Verhaftete, Verbannte, Geflüchtete, Ermordete. Bei der Versammlung sind fast nur schwarze Studenten. Die weißen sitzen lieber auf den Stufen der Bibliothek in der spätsommerlichen Sonne. „Es sollte schon Redefreiheit geben“, kommentiert Alan, der Zahnarzt werden will, das praktische Verbot der UDF. „Aber die UDF hat sich Übergriffe zuschulden kommen lassen.“ Einmischen will er sich lieber nicht. „Ich bin hier, um zu studieren“, stimmt ihm der Schauspielstudent Vaughn zu. „Ich bin kein politischer Student. Ich lese keine Zeitungen.“ Auch in Soweto wurde die Nachricht von den jüngsten Repressionen eher mit Bedrückung aufgenommen. „Hier wird doch nie etwas besser“, sagt eine alte Frau. Jüngere Bewohner der Millionensiedlung waren optimistischer. „Die Schwarzen wissen, was sie wollen“, sagte Andrew Tsele, ein Straßenverkäufer. „Repressionen werden uns nicht daran hindern, Widerstand gegen die Apartheid zu leisten.“ Schwieriger wird der Widerstand zweifellos werden. In Natal, wo Anhänger der Vereinigten Demokratischen Front (UDF) seit Monaten erbittert gegen die konservative Zulu–Organisation Inkatha kämpfen, hat die Regierung dieser jetzt ein As zugeschoben. Die Zulu–Organisation kann ungehindert weiterarbeiten, während die UDF sich weder an Friedensgesprächen mit Inkatha beteiligen noch in den Medien die Übergriffe der Inkatha–Krieger anprangern kann.