Shultz ist sich nur mit Peres einig

■ Der US-Außenminister stieß im arabischen Lager auf einhellige Ablehnung seiner Nahost-Initiative

Der israelische Außenminister Shimon Peres ist der einzige, auf den der amerikanische Außenminister Shultz bei seiner Initiative für die Beilegung des Nahostkonflikts setzen kann. Eine magere Bilanz, wenn man bedenkt, daß der Abgesandte Washingtons seit vergangenem Donnerstag zwischen Israel, Jordanien, Syrien und Ägypten hin- und her pendelt. Die Steine, die auch am Wochenende wieder in den israelisch besetzten Gebieten flogen, blieben der einzige Ausdruck des Willens der palästinensischen Bevölkerung, denn die PLO ist bislang von den USA und Israel nicht als Verhandlungspartnerin akzeptiert.

Tel Aviv (taz) – Nach jahrelanger Passivität versucht die US-Regierung nun in den letzten Monaten ihrer Amtszeit, neue Bewegung in den nahöstlichen Friedensprozeß zu bringen. Das ist die fast unvermeidliche Folge der internationalen Besorgnis, die der seit fast drei Monaten andauernde palästinensische Aufstand gegen die israelische Besatzung hervorgerufen hat. Den USA, dem engsten Verbündeten Israels, blieb unter diesen Umständen nur die Flucht nach vorne übrig. Außenminister George Shultz wurde in die Rolle des Friedensstifters gesteckt und in den nahen Osten entsadt, wo er seit Donnerstag Gespräche in Jerusalem, Amman, Damaskus und Kairo führt.

Mit der amerikanische Initiative wird zugleich den Bemühungen des Weltsicherheitsrats um eine Friedenslösung im Nahen Osten ein Riegel vorgeschoben. Das Gremium hatte sich im Sinne des sowjetischen Vorschlags für eine internationale Nahost-Friedenskonferenz unter Beteiligung beider Supermächte ausgesprochen.

Vorbild Kissinger

Die Besorgnis, die die Eskalation des palästinensischen Aufstandes bei den Regierungen der Region und Westeuropas, aber auch unter den amerikanischen Juden hervorgerufen hat, bot der Reagan- Administration die Gelegenheit, eine ähnliche Rolle wie in der Kissinger-Ära zu spielen. In den siebziger Jahren löste der für Israel überraschende Oktoberkrieg 1973 Henry Kissigners Pendeldiplomatie aus, die schließlich zum Camp-David-Abkommen und dem Frieden mit Ägypten führte. Die gleichfalls überraschende Revolte in der Westbank und dem Gaza-Streifen mit ihren fast ebenso traumatischen Folgen für Israel bot einen ähnlichen Ausgangspunkt für einen Alleingang der USA. Die Notlage Israels soll für eine Erneuerung des sogenannten Friedens-Momentums ausgenutzt werden.

Hauptziel ist zunächt, des palästinensischen Aufstands Herr zu werden. Shultz geht davon aus, daß sowohl Israel als auch die meisten arabischen Regierungen dieses Interesse teilen. Der Außenminister hat den Regierungen der Region am Wochenende bereits in großen Zügen sein „Schlichtungspaket“ erläutert: Danach ist eine „Zwischenlösung“ mit lokaler palästinensischer Selbstverwaltung in den besetzten Gebieten, ähnlich wie im Camp-David-Abkommen, vorgesehen. Das Kind wird jedoch nicht beim Namen genannt, um unerwünschte Reaktionen im arabischen Lager zu vermeiden. Praktisch würde die Shultz-Initiative zu israelisch-jordanischen Verhandlungen über eine gemeinsame Verwaltung der besetzten Gebiete führen, wie es auch im Reagan-Plan von 1982 anvisiert wurde. Falls die arabische Seite darauf insistiert, könnte eine Art internationales Forum unter Beteiligung der Supermächte die direkten Verhandlungen zwischen Israel und Jordanien eröffnen. Eine andere Variante sieht eine internationale Konferenz am Ende der von den USA überwachten bilateralen Verhandlungen vor.

Diplomatie und Wahlen

Die Differenzen zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Shamir (Likud-Block) und Außenminister Shimon Peres (Arbeiterpartei) hinsichtlich der Shultz-Initiative müssen vor dem Hintergrund der Parlamentswahlen in Israel am ersten November gesehen werden. Nur so ist die etwas groteske Situation zu verstehen, daß Shultz auch am Sonntag wieder getrennte Gespräche mit den beiden Politikern führen mußte. Solange nur von einer „Zwischenlösung“ die Rede ist und nicht von einer endgültigen Regelung, territorialen Kompromissen oder einem „Tausch“ von Land gegen Frieden, sind die Unterschiede nicht so groß. Es ist just die Koppelung einer „Zwischenlösung“ und einer, wenn auch nur vage in Aussicht gestellten endgültigen Regelung, die Israels Rechte an der Shultz-Initiave ablehnt.

Das Einverständnis zwischen Shultz und Peres bringt der Arbeiterpartei im In- und Ausland einen Prestigegewinn, auch wenn sie gleichzeitig als Mitglied der Koalitionsregierung der Nationalen Einheit für die Niederschlagung des palästinensischen Aufstands verantwortlich ist. Mit dieser Doppelstrategie hofft die Partei im Herbst ein Maximum an Wählern zu mobilisieren. Wie Nachum Barnea, der Herausgeber des der Arbeiterpartei nahestehenden Magazins Koteret Raschit erklärte, befürworten Peres und seine Freunde, daß die USA sowohl Shamir als auch König Hussein von Jordanien ihre Lösung aufzwingen. Diese Haltung wird von der „Peace Now“-Bewegung geteilt, die neuerdings fest hinter Shultz und Peres steht.

Shamir geht davon aus, daß die Reagan-Administration Verständnis dafür aufbringt, daß nur eine breite Koalitionsregierung, die auch die Rechte einschließt, in der Lage ist, eine Änderung der israelischen Politik einzuleiten. Er deutet zugleich an, daß der Likud- Block unter seiner Führung wesentlich flexibler ist als unter der seiner radikaleren Rivalen wie Minister Ariel Sharon, der leicht die Siedlerbewegung Gush Emunim, die Mehrzahl der religiösen und extremistischen Parteien zum Kampf gegen Konzessionen oder Friedensverhandlungen aufrufen könnte.

Einig in der Ablehnung der PLO

Einig sind sich die Koalitionspartner in der Frage einer palästinensischen Vertretung bei Verhandlungen. Alle in der Regierung vertretenen Parteien stimmen Shultz zu, daß die PLO kein Gesprächspartner ist und diesseits des Jordans kein palästinensischer Staat entstehen darf. In welcher Form Palästinenser aus den besetzten Gebieten zu möglichen Verhandlungen hinzugezogen werden sollen, ist vorerst noch unklar.

Am Freitagabend begab sich Shultz in das American-Colony- Hotel in Ostjerusalem, wo er mit fünfzehn geladenen palästinensischen Persönlichkeiten konferieren wollte. Da alle „mit Bedauern“ abgesagt hatten, appellierte der amerikanische Außenminister mit Hilfe des israelischen Fernsehens an die Palästinenser und forderte sie auf, sich an seiner Intiative zu beteiligen. Er sprach zwar von „legitimen Rechten“ der Palästinenser, aber nicht der PLO. Deren Führung in Tunis hat am Wochenende erneut ihre Bereitschaft zu einem Treffen mit Shultz signalisiert.

Sollte dieser Vorschlag auf fruchtbaren Boden fallen, könnte vielleicht tatsächlich ein „neuer Zugang“ zu dem Problemfeld gefunden werden, ein Wort, das Shultz seit seiner Ankunft in Israel ständig im Munde herumführt.“Die Shultz-Vorschläge befriedigen nur Peres, sonst niemanden hier in der Region“, meinte der linke israelische Publizist Uri Avneri, der sich gerade wieder einmal mit PLO-Chef Arafat getroffen hat. „Aber es geht ja nicht darum, daß Frieden zwischen Peres und Shultz geschlossen wird. Den Frieden müssen die beiden Völker, Palästinenser und Israelis, auf dem Verhandlungsweg miteinander schließen.“ Amos Wollin