Ein Altsponti aus Frankfurts Stadtviertel „Kamerun“

Günter Sare ist in dem Stadtviertel Frankfurts von einem hessischen Wasserwerfer getötet worden, in dem er zu Hause war, von dem aus er vor fünfzehn Jahren angefangen hatte zu demonstrieren. Das Gallus–Viertel ist Frankfurts Arbeiterviertel, auch „Kamerun“ genannt, und war für die Frankfurter „Spontiszene“ Mitte der siebziger Jahre begehrtes Agitationsfeld zur Verbrüderung mit den ausländischen Genossen und hiesigen Militanten. Man baute das „Gallus–Zentrum“ als multinationalen Treffpunkt auf. Bis dahin gehörte Günter Sare schon längst zu den Militanten, die sich von „den Studenten, die immer nur schwätzen“, nichts vormachen lassen wollten. Und gleichzeitig wurde er durch die Studentenbewegung, durch die APO animiert, raus aus dem Gallus–Viertel zu ziehen, gegen Springer zu demonstrieren und erst recht gegen die Wohnraumspekulation im Frankfurter Westend. Häuser besetzen bedeutete für ihn nicht nur politisches Kalkül, sondern auch Lust zu leben, anders zu leben. Günter Sare gehörte zu den Leuten aus der alten Frankfurter Szene, die in den letzten Jahren für sich keine Felder mehr vorgefunden haben, um politisch zu agieren: Die abgepolsterten Stellen bei den Grünen; Arbeitskreise, in denen Bürokratie vonnöten ist, Mediendschungelpfade, um sich einen Namen zu machen, oder Assistentenstühle, auf denen man seine radikalen Erfahrungen aussitzen kann, gehörten nicht zum Repertoire des Getöteten. Ein Amt hatte er bis zuletzt inne: Er gehörte zum Vorstand des autonomen Jugendzentrums Frankfurt–Bockenheim, des ältesten Jugendzentrums in der Stadt. Es war überhaupt kein Zufall, daß die Bullen in Günters Viertel drauflos rasten. Im Gallus sind die sozialen Konflikte schärfer als woanders, der Ausländer– und Arbeitslosenanteil ist groß - die Hemmung entsprechend niedrig, „die aus dem Gallus“ schnell niederzumachen. Solche Verhältnisse wollte und konnte Günter Sare nicht hinnehmen - wie er früher Springers Bild nicht hinnehmen konnte. Diese Verhältnisse haben ihn jetzt getötet - an einem Tag, an dem er zu einem Ausländerfest wollte. Gisela Wülffing