„Ob das einen Diktator beeindrucken kann?“

■ Der Generalstreik der panamesischen Opposition hatte nur mäßigen Erfolg / Der gestürzte Staatschef Eric Delvalle wird von seinen eigenen Leuten im Stich gelassen / Armee steht fest hinter „dem starken Mann“ Manuel Noriega

Aus Panama–Stadt R. Neubauer

Nur mäßigen Erfolg hatte am Montag die panamesische Opposition, die mit einem Generalstreik die Hauptstadt Panama– Stadt lahmlegen wollte. Rund 70 Prozent der Geschäfte in der Innenstadt und mehr als die Hälfte der Industriebetriebe blieben geöffnet. Auf den Straßen kam es zu den üblichen Staus, und der „Nationale Streiktag“, ausgerufen, um gegen die Absetzung von Präsident Eric Delvalle durch den starken Mann General Manuel Noriega zu protestieren, verlief wie ein gewöhnlicher Geschäftstag. Erst gegen Abend schlossen sich mehr Geschäfte dem Aufruf an. Am vergangenen Donnerstag hatte Noriega kurzerhand den Präsidenten abgesetzt, nachdem dieser versucht hatte, ihn zu entlassen. Nur wenige Stunden danach war bereits der ehemalige Erziehungsminister Solis Palma als Nachfolger vereidigt. Delvalle flüchtete daraufhin aus seinem Haus, da er eine Abschiebung ins Ausland befürchtete. Seitdem hält er sich versteckt. Nur per Telefon und Videokassette wandte er sich an die Öffentlichkeit, das Interesse an seiner Person scheint inzwischen aber merklich abgeflacht zu sein. Selbst Delvalles republikanische Partei wandte sich von ihm ab und denkt nicht daran, aus der Regierungskoalition auszuscheren. „Ich glaube nicht, daß die Militärs ihn überhaupt noch suchen“, erklärte ein europäischer Beobachter und erinnerte an den 1985 ebenfalls von Noriega gestürzten Vorgänger Delvalles, Nicolas Ardito–Barletta, der seitdem unbehelligt in Panama lebt. Ardito– Barletta hatte 1984 mit rund 2.000 Stimmen Vorsprung die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Diese Wahlen bezeichnet die USA heute als gefälscht und lastet sie General Noriega ebenso an wie seine Verwicklung in den internationalen Drogenhandel. Vergessen wird darüber allerdings, daß Barletta damals als Wunschkandi dat der USA galt. Die US–Drogenbehörde DEA hatte dem heute so bekämpften Noriega noch im Mai 1987 große Verdienste bei der Bekämpfung des Kokainschmuggels bescheinigt. Im Februar klagten zwei US–Gerichte Noriega wegen Drogenschmuggels und Bestechlichkeit an. Am Montag rechtfertigte die Opposition den Mißerfolg des ersten Streiktages mit der Begründung, daß an diesem Tag die Angestellten ausgezahlt wurden. Außerdem gestanden die Organisatoren von „Cruzada“, die den Streik mitorganiserten, Schwierigkeiten in der Koordination ein. Ihr Hauptquartier, die panamesische Handelskammer, ist von den Militärs geschlossen worden. Eine Aktion zog dann doch noch die Aufmerksamkeit auf sich: Aurelio Barria, Chef der Handelskammer, provozierte seine Verhaftung. Er begehrte genau zu dem Zeitpunkt Eintritt in das von Truppen umzingelte Gebäude und rief lautstark nach „Freiheit“, als der frisch eingesetzte Präsident Solis Palma nur wenige Meter entfernt den Jahrestag des Wahlrats feierte. Wenigen Stunden später war Barria wieder auf freiem Fuß. Noriegas Stuhl scheint auch nach den turbulenten Ereignissen der letzten Tage nicht zu wanken. Hinter ihm stehen die Militärs, die Donnerstag vergangener Woche noch die beste Gelegenheit gehabt hätten, ihren von den Vereinigten Staaten so ungeliebten Chef loszuwerden. Sie blieben General Noriega treu, wegen ihrer starken Abhängigkeit und dem Glauben, daß sie ohne Noriega viele Privilegien verlieren würden. Außerdem besteht die panamesische Armee mehrheitlich aus sogenannten „Chulos“, Schwarzen und Mulatten, im Gegensatz zu der weiß dominierten oppositionellen Bürgerschicht. „Die Opposition will Noriega loswerden, weil sie weiß, daß sie selbst nach freien Wahlen nicht gegen den General ankommen“, analysiert ein westlicher Beobachter die Lage. Aber der Druck von innen ist zu schwach. Noch im Juni vergangenen Jahres, als der Ex–Oberst Herrera Diaz mit seinen Vorwürfen des Wahlbetrugs und des Drogenhandels gegen Noriega die Krise auslöste, gingen Tausende von Panamesen auf die Straße. Außer dem harten Durchgreifen der Sicherheitskräfte „erreichten“ sie nichts. Auch die USA konnten ihrem einstigen Verbündeten Noriega mit der Streichung ihrer Militär– und Wirtschaftshilfe keinen Rücktritt abtrotzen. Auch das in den letzten Tagen eifrig von Teilen der Opposition geforderte US–Handelsembargo würde zuerst die Geschäftswelt treffen. Damit, so ein Beobachter, würde erst recht ein Nationalgefühl bei einer Bevölkerung geschaffen, die bisher im Grunde pro–amerikanisch eingestellt ist. „Das Problem der Panamesen ist, das sie keine Kämpfer sind. Sie protestieren, in dem sie mit weißen Taschentüchern winken und hupend durch die Straßen fahren. Glauben Sie, daß das einen Diktator beeindruckt?“