Polizeiprügel und linke Spaltung

■ In Hamburgs St.Pauli–Viertel kam es anläßlich der Außenministerkonferenz über Mittelamerika zu Straßenschlachten / Etliche politische Gruppen wollten die Demo schon vorher nicht mehr unterstützen

Aus Hamburg Rainer Scholz

Zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und etlichen hundert Demonstranten kam es am späten Montag abend in Hamburg–St. Pauli. Etwa 25 autonome, antiimperialistische und ausländische Gruppen hatten anläßlich des Treffens der zentralamerikanischen Außenminister mit ihren EG–Kollegen in Sachen „Wirtschaftshilfe“ in der Hansestadt zu einer Demonstration „Freiheit für Zentralamerika“ aufgerufen. Etwa 300 Demonstranten des Schwarzen Blocks und ungefähr gleichviel Nicht–Vermummte aus dem linken Spektrum - auch Mitglieder der GAL - hatten sich gegen 17 Uhr an zwei Punkten des äußerst verwinkelten Stadtviertels St. Pauli getroffen. Versuche der Autonomen, die zwischen den Demonstrationskernen aufgezogene Polizeisperre zu durchbrechen, wurden von Polizei und Bundesgrenzschutz verhindert. Etwa 3.000 PolizistInnen riegelten ganze Straßenzüge ab, machten Jagd auf einzelne Demonstrantengruppen und kesselten immer wieder Personengruppen ein. Gegen 18 Uhr, als der autonome Block weitgehend aufgelöst war und sich zurückgezogen hatte, fanden sich etwa 500 überwiegend Nichtvermummte unter Parolen wie „Hoch die internationale Solidarität“ zu einem festen Demonstrationszug zusammen. Sie kamen bis zur Davidswache auf der Reeperbahn, wurden dort durch einen brutalen Polizei einsatz zum Stehen gebracht und schließlich in Richtung auf ihren Ausgangsort am Neuen Pferdemarkt wieder abgedrängt. Noch am gleichen Abend meldete die GAL über 60 Festnahmen und etliche verletzte Demonstranten, von denen einige ins Krankenhaus gefahren werden mußten. Die Polizei gab zehn Festnahmen und neun verletzte Polizisten an. Im linken Spektrum der Hansestadt hatte es bereits vor Wochen eine heftige Auseinandersetzung um ein Eingreifen anläßlich des für die Länder Zentralamerikas wichtigen Außenministertreffens gegeben. Dabei bestanden die Autonomen darauf, sowohl zugunsten der „Freiheit Mittelamerikas“ als auch gegen die neue Polizeitaktik in Hamburg demonstrieren zu wollen.. Die beiden letzten Demonstrationen waren wegen Vermummung bereits am Treffpunkt von der Polizei aufgelöst worden. Aus Protest sollten sich diesmal alle Demo–Teilnehmer vorsätzlich vermummen. Daraufhin zogen sich alle Mittelamerika–Gruppen als auch Teile des Initiativkreises Hafenstraße (GAL, DKP, Jusos) aus der Demo–Vorbereitung zurück. Die GAL stellte immerhin noch u.a. einen Lautsprecherwagen, der aber aufgrund der Polizeiabriegelung nicht mitgeführt werden konnte. Eine zusätzliche Schwierigkeit bestand bei dieser Demo darin, daß die Regierungen Zentralamerikas ganz offensichtlich die Europäische Gemeinschaft nicht so sehr als Hauptfeind, sondern vielmehr als Gegengewicht gegen die Übermacht der USA sehen. Ricardo Ribero, der auf Einladung der Mittelamerika–Solidaritätsgruppen nach Hamburg gekommene Bonner Repräsentant der größten salvadorianischen Befreiungsbewegung FLMN/FDR, sagte dazu gegenüber der taz: „Wir hoffen, daß die Rolle der EG in Lateinamerika größer wird.“ Hamburgs Innensenator Volker Lange hatte bereits Ende letzter Woche eine lange Liste von Demonstrationseinschränkungen bekanntgegeben. Da mit „1.000 Gewalttätern“ zu rechnen sei, genehmigte er die vorgeschriebene Route durch die Innenstadt zum Tagungsort der Außenminister nicht. Außerdem kündigte er Personenkontrollen und rigoroses Vorgehen gegen Vermummungen an. Während der Landespressekonferenz am gestrigen Dienstag rechtfertigte Lange dann das scharfe Vorgehen seiner Polizei.