Tavsanli will den deutschen Giftmüll nicht

■ Türkische Behörden widerrufen Betriebsgenehmigung für Sonderabfall–Deponie in der Kleinstadt Tavsanli / Gedacht für Giftmüll aus Baden–Württemberg / Geplant von einer Zürcher Investment–Firma: „Mit höchsten Stellen der BRD abgesprochen“

„Wir sind betrogen worden. Uns sagen sie, sie wollten eine Transformatorenfabrik gründen und 2.000 Arbeitsplätze schaffen. Und in Wirklichkeit wollen sie ihren Giftmüll bei uns loswerden.“ Der Bürgermeister der türkischen Kleinstadt Tavsanli, Revzi Cosgun, ist sauer. Nachdem bekannt wurde, daß in Tavsanli eine große Sonderabfalldeponie geplant ist, die deutschen Giftmüll „entsorgen“ soll, geriet er in die Schlagzeilen der türkischen Presse. Jetzt ist das Giftmüllgeschäft, für das die türkische Firma Büyüktemiz bereits 200.000 Quadratmeter Land anmietete, geplatzt. Gestern zog der Regierungspräsident von Kütahya, Kemal Esensoy, die von der Stadt Tavslani im September 1987 erteilte Betriebsgenehmigung zurück. „Die türkischen Behörden wurden bewußt in die Irre geführt“, so erklärte der Regierungspräsident die Aufhebung der Betriebslizenz. Das Projekt der Sonderabfalldeponie von Tavs lani wurde unter Federführung der Faktum–Investment in Zürich erstellt, die zwischen baden–württembergischenSonderabfallfirmen und der türkischen Büyüktemiz vermittelt. Montage und Demontage von Transformatoren, die Separierung und Verbrennung PCB–verunreinigten Altöls und Umwandlung von Farbstabilisatoren zu Brennstoff, alles das war laut der ursprünglich erteilten Betriebslizenz hier geplant. In der Bundesrepublik werden PCB–haltige Transformatoren systematisch ausgetauscht, da bei Explosion und Brand Dioxin entstehen kann. Erregt reagierte der Sprecher der Züricher Faktum, Wolfgang Honold, als die taz ihm die Nachricht von dem Entzug der Betriebslizenz für die Sonderabfalldeponie übermittelte. „Wir spielen doch nicht für die Türken die Hampelmänner. Kann der Regierungspräsident kein türkisch? Die Türken haben uns eine Generalimportlizenz erteilt, um Sondermüll jeglicher Art in unbegrenzten Mengen ausschließlich radioaktiven Materials einzuführen.“ Nach Auskunft von Honold handelt es sich um ein „mit höchsten Stellen in der BRD“ abgesprochenes industrielles Riesenprojekt, die Sonderabfalldeponie sei nur ein Teil des Projektes. Außerdem habe die Firma Büyüktemiz einen Rahmenvertrag mit dem ETN, Erdbaulaboratorium aus dem westdeutschen Hungen abgeschlossen, die Einrichtung und Überwachung der Sonderabfalldeponie nach internationalen Standards gewährleistet. Honold bestätigte, daß sie auch zwischen der bundesdeutschen Sondermüllfirma Energie–Vermarktung Altvater EVA in Bad Wurzach und Büyüktemiz den Export halogenierter Lösemittel vermitteln. 1.000 Tonnen der Lösemittel, Rückstände der Metalloberflächenbehandlung, die bei der Automobilindustrie anfallen, lagern gegenwärtig in Mannheim. Die EVA hat eine Exportgenehmigung in die Türkei gestellt. In der BRD wird keine Landverbrennung vorgenommen, da die hochchlorierten Lösungsmittel jeden Filter zerstören. Bislang wurden die hochtoxischen Lösungsmittel in offenen Kesseln auf der Nordsee verbrannt (Vulcanus II). Greenpeace bekämpfte die Verbrennung auf hoher See. Geht es nach dem Willen der Exporteure, soll das Material nun in türkischen Zementfabriken verbrannt werden, fernab der Umweltschützer. Auch dieser bereits fest vereinbarte Deal ist jetzt durch die Entscheidung in Kütahya geplatzt. Nachdem die taz den Export von 1.500 Tonnen Sonderabfall aus Industrierückständen durch die Firma Weber an eine türkische Zementfabrik in Isparta publik machte und daraufhin die Stuttgarter Grünen die Landesregierung aufforderte, die Karten über den Giftmüllexport in die Türkei offenzulegen, sind Öffentlichkeit und Behörden in der Türkei hochsensibilisiert: Der für Umwelt zuständige Staatsminister Veysel Atasoy stellte Strafantrag gegen die Zementfabrik, weil unkonkrete Importbescheinigungen vorgelegt wurden, und die zuständige Umweltbehörde nicht informiert wurde. „Wir wollen keinen Müll aus der BRD“, so Atasoy. Aus dem Umweltministerium in Baden–Württemberg ist die Klage zu hören, der Türkei–Export stecke in der Krise. „Wir nehmen die Türkei–Geschichte sehr ernst... Sie zeigt uns, daß wir die Verbrennungsanlage für Sondermüll in Baden–Württemberg umso schneller bauen müssen“, bekannte der baden–württembergische Umweltminister Vetter vor dem ZDF. Dagegen meint der Istanbuler Oberbürgermeister Dalan: „Wir sind doch nicht der Schuttplatz für deutschen Giftmüll. Jeder soll selbst mit seinem Müll fertig werden.“ öe