„Lumpenstück bayerischer Politik“

■ Völlig neue Flugrouten für Flughafen München II im Erdinger Moos / Bevölkerung wurde 15 Jahre getäuscht / Neu vom Fluglärm Betroffene können nicht mehr klagen / Grüne fordern neues Verfahren und Anhörung

Aus München Luitgard Koch

„Die Bevölkerung im Landkreis Erding und Freising ist über 15 Jahre vom bayerischen Wirtschaftsministerium belogen worden“, stellte gestern der Landtagsabgeordnete Magerl von den bayerischen Grünen zu den neuen Flugrouten des Flughafens München II im Erdinger Moos fest. Von Fluglärm sind nach den geänderten Routen für den umstrittenen Flughafen jetzt ca. 20.000 neue Bürger betroffen. Vor allem die Gemeinden im Ampertal liegen nun im Einzugsbereich; auch Erding wird nach den neuen Plänen überflogen. Nach Ansicht der Grünen und der Vertreter von Bürgerinitiativen, gab es diesen Plan bereits während des luftrechtlichen Genehmigungsverfahren 1973. Schon damals war er also den Verantwortlichen, Wirtschaftsminister Anton Jaumann und dem oberbayerischen Regierungspräsidenten Raimund Eberl bekannt. Trotzdem wurden die Lärmzonen nicht danach, sondern nach „manipulierten Routen“ der Flughafen München GmbH berechnet. Mit diesen falschen Flugrouten wurde auch im Planfeststellungsbeschluß für den Flughafen, der im März 1985 dann noch gerichtlich abgesegnet wurde, gearbeitet. Deshalb fordern die Grünen ein neues Verfahren und die neuerliche Anhörung der Bürger. Im Moment läuft vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) jedoch bereits der Prozeß über Lärmschutz– und Entschädigungsfragen. Die nach den geän derten Plänen vom Fluglärm betroffenen Bürger und Gemeinden sind dort natürlich nicht unter den Klägern und haben jetzt auch kein Klagerecht mehr. Einen Aussetzungsantrag, den der grüne Abgeordnete Magerl stellte, hat das Gericht bereits abgelehnt und auch die bayerische Staatsregierung ist nicht bereit das Großprojekt noch einmal zur Diskussion zu stellen. „Ein besonderes Lumpenstück bayerischer Politik“, so der langjährige Flughafengegner Magerl. Aber nicht nur er ist darüber empört. Selbst CSU–Bürgermeister aus der Region, so der Allershausener Heinrich Winkler, sprechen offen von einem Betrug der Staatsregierung. Verärgert sind die CSUler auch darüber, daß ihre beiden CSU–Landtagsabgeordneten, Otto Wiesheu und Rita Schweiger, offensichtlich auf Tauchstation gegangen sind. Inzwischen gibt es aber auch internen Krach. In einer nichtöffentlichen Sitzung der Flughafengegner gerieten zwei Bürgermeister aneinander, weil der eine vorschlug, die Route etwas zu verschieben; damit wäre die Gemeinde des anderen Bürgermeisters schwerer betroffen gewesen. „Das ist so inszeniert, damit jetzt bei den Betroffenen der große Krieg ausbricht“, vermutet der Sprecher der BIs, Joseph Zollner. In Wirklichkeit hat die Flugkommission, an die die Verbesserungsvorschläge der Gemeinden weitergereicht werden, keine Kompetenzen. Sie kann nur Empfehlungen ausgeben, die von der Betreiberseite nicht eingehalten werden müssen.