TÜV manipulierte bei Prüfung von Atommeilern

■ Interne TÜV–Protokolle offenbaren Praktiken der Gutachter bei AKW–Genehmigung / Stuttgarter Landesregierung war informiert

Berlin (taz) - Die Grünen im Bundestag forderten Umweltminister Töpfer gestern auf, den Atomanlagen Würgassen, Ohu 1, Phillipsburg 1 und Krümmel wegen schwerwiegender Sicherheitsmängel die atomrechtliche Genehmigung zu entziehen. Auch das AKW Neckarwestheim müsse wegen Fehlens einer regulären Betriebsgenehmigung stillgelegt werden. Der Abgeordnete Schily kündigte an, den Komplex zum Thema im Bonner Untersuchungsausschuß zu machen. Damit reagieren die Grünen auf ein Resumee des Freiburger Öko–Instituts, das dieses aufgrund betriebsinterner Unterlagen des Technischen Überwachungsvereins Baden gezogen hat. Danach laufen die vier genannten Siedewasserreaktoren der Baulinie 69seit vielen Jahren ohne „fundamentale Nachweise über die Beherrschung bestimmter Störfälle“. Außerdem geht aus den Protokollen einer internen TÜV–Kommission hervor, daß der Druckwasserreaktor Philippsburg 2 in den Jahren 1984/85 ans Netz genommen wurde, obwohl bis heute sicherheitsrelevante Vorprüfungen nicht abgeschlossen sind. Die TÜV–Kom mission war offenbar in der Folge eines Arbeitsgerichtsverfahrens zwischen der TÜV–Geschäftsleitung und dem Betriebsrat ins Leben gerufen worden. In dem Verfahren, das inzwischen eingestellt wurde, hatte der Anwalt des TÜV–Betriebsrats einen Sachverständigen und die Geschäftsleitung schwer belastet. Als zuständige Sachverständige des TÜV Schlampereien, Verfilzungen mit den Reaktorherstellern und Falschinformationen gegenüber den Genehmigungsbehörden bei der Genehmigung wichtiger Anlagenteile nicht mehr verantworten wollten, waren sie von ihren Vorgesetzten „in unerträglicher Weise bei ihrer Tätigkeit behindert worden“, so der Schluß des Öko–Instituts. In diesem Zusammenhang war auch bekannt geworden, daß der TÜV Baden Prüfaufgaben zur Begutachtung von Philippsburg 1 und 2 von einem Ingenieurbüro hatte vornehmen lassen, daß auch für den Hersteller des AKWs, die Kraftwerks Union, gearbeitet hatte. Aus den dem Öko–Institut vorliegenden Unterlagen scheint zweifelsfrei hervorzugehen, daß die Leitung des TÜV und das betroffene Ingenieurbüro diesen Vorwurf durch einen nachgereichtes und vordatiertes Dementi auf plumpe Weise zu entkräften suchten. Das Ingenieurbüro hatte ein entsprechendes Schreiben an den TÜV Baden geschickt, das allerdings im Briefkopf eine Telefonnummer enthielt, die erst später benutzt wurde. Die Sicherheit der betroffenen Siedewasserreaktoren Krümmel, Ohu 1, Philippsburg 1 und Würgassen war zuletzt Ende 1986 Gegenstand öffentlicher Diskussionen, nachdem ein Gutachten des Norddeutschen TÜV bekanntgeworden war, derzufolge nach einer Kernschmelze der Sicherheitsbehälter bereits nach drei Stunden versage. Fortsetzung auf Seite 2