Angebot aus Kabul wirkt in Genf positiv

■ Drei Streitpunkte laut UNO–Vermittler geregelt / USA verbreiten Gerücht von nördlichem Teilstaat

Aus Genf Andreas Zumach

Voller Optimismus über einen baldigen Abschluß äußerte sich gestern der Vermittler bei den Genfer Afghanistan–Verhandlungen, der stellvertretende UNO– Generalsekretär Diego Cordovez. Am Donnerstagabend hatte die afghanische Regierungsdelegation einen sowjetischen Truppenabzug innerhalb von neun Monaten nach Vertragsabschluß angeboten. Unterdessen verbreiten US–Diplomaten Gerüchte, wonach die UdSSR angeblich die Errichtung eines Teilstaates im Norden Afghanistans für die Mitglieder der kommunistischen Partei des Landes plane. Lediglich „Details des Zeitrahmens und der genauen Prozedur“ einer Vertragsumsetzung, die er nicht näher bezeichnete, seien noch zu klären, sagte Cordovez. Der Vertrag sieht drei Einzelabkommen über die gegenseitige Nichteinmischung, den Truppenabzug und die Rückkehr der Flüchtlinge sowie eine Garantieerklärung durch die USA und die UdSSR vor. Cordovez schon bekannter Optimismus stieß bei den Journalisten auf Skepsis. Für ihn, der Ambitionen auf die Nachfolge von UNO–Generalsekretär Perez de Cuellar hat , wäre eine baldige Vertragsunterzeichnung auch ein persönlicher Erfolg. Fortsetzung auf Seite 6 Auf das Angebot Afghanistans gibt es entgegen einigen Meldungen, die bereits von einer“ Einigung“ sprachen, noch keine offizielle Reaktion Pakistans. Der Vorschlag eines sowjetischen Truppenabzuges innerhalb von neun Monaten ist ein Kompromiß zwischen Gorbatchows Zehnmonatsplan und der pakistanischen Forderungen nach acht Monaten. Es wird erwartet, daß Pakistans Verteidigungsminister Noorani zur Fortsetzung der Verhandlungen am Montag morgen auch eine neue Haltung seiner Regierung zur Frage der künftigen Regierung Afghanistans mitbringt. Bislang besteht Pakistan darauf, einen Vertrag nur mit einer „breiten Koalitionsregierung in Kabul mit maßgeblichem Einfluß der Widerstandsgruppen“ und nicht mit der derzeitigen Regierung Nadschibullah zu unterzeichnen. Mit dieser Vorbedingung isoliert sich die Regierung von General Zia jedoch zunehmend, zumal die USA sie nur halbherzig unterstützt. Cordovez wiederholte, die Regierungsbildung sei „allein eine Sache der Afghanen“. Zugleich seien sich jedoch „alle Beteiligten darüber einig, daß die Umsetzung eines Vertrages effektiver unter einer breitverankerten Regierung“ sei. Dies deutet auf eine Lösung hin, nach der der Vertrag zwar von der Regierung Nadschibullah unterzeichnet wird, zugleich aber die anschließende Bildung einer Koalitionsregierung vorsieht. Unter Berufung auf nicht näher genannte „westliche Diplomaten“ verbreitet der Informationsdienst der US–Regierung Meldungen aus „afghanischen Quellen“ - üblicherweise eine Umschreibung für Geheimdienste. Danach plane die Sowjetunion die Errichtung eines „Rumpfstaates“ in der Region Mazar–i–Sharif im Norden Afghanistans an der Grenze zur UdSSR. Hier solle eine „Rückfall–Stellung“ für die Kader und Mitglieder der kommunistischen „Demokratischen Volkspartei“ errichtet werden.