Tausende demonstrierten gegen Atompolitik

■ Mit rund 7.000 TeilnehmerInnen im Wendland die größte Demonstration seit Jahren / „Strahlen der Lüge“ vergiften die Gesellschaft / Salzburger forderten in Regensburg den Baustopp für die WAA / In Essen standen 1.500 Demonstranten 2.000 Polizisten gegenüber

Aus Gorleben Gabi Haas

Die Zahl der Gorleben–Demonstranten überflügelte selbst die kühnsten Erwartungen: Zwischen sechs– und achttausend Atomgegner mögen es gewesen sein, die sich am Sonnabend nachmittag - angeführt von über 100 Treckern - in Richtung Zwischenlager bewegten. Ein bunter, nicht enden wollender Zug, dessen Bild von farbigen Luftballons, Gorleben– Bäumen und gelben Atommüllfässern bestimmt wurde. Die hinter den Festungsmauern des Zwischenlagers verschanzten Polizeieinheiten konnte man nur ahnen. Robert Jungk als erster Redner brandmarkte die „Strahlen der Lüge“, die im Zusammenhang mit der Atomindustrie die Gesellschaft vergiften. Gelogen werde nicht nur in Bezug auf die Sicherheit der Atomanlagen, sondern auch über die wahren Ziele des Atomprogramms. Nachfolgeredner Werner Kiebutza, IG Metaller aus der Gegend von Schacht Konrad, stellte ein neues Anti–Atom–Bündnis zwischen Gewerkschaften, Ökologie–Bewegung und Ausstiegsparteien in Aussicht, um den „Atomausbau–Minister Töpfer endlich auf den Ausstiegstopf zu setzen“. Zwischendurch erfreuten die Landwirte ihr überwiegend einheimisches Publikum mit einer Einlage: Nach dem Motto „Wir bieten mehr“ wurden unzählige falsche Tausender durch den Schornstein eines Schleppers in die Luft geschleudert, die später von den Demonstranten brav wieder aufgesammelt wurden. Als eine der letzten Kundgebungssprecherinnen erinnerte Marianne Fritzen, ehemalige Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow–Dannenberg, an jenen warmen Märztag vor genau elf Jahren, als sich die Gorleben–Gegner zu ihrer ersten Großdemonstration versammelt hatten. Zwei Wiederaufarbeitungsanlagen seien in Lüchow– Dannenberg seitdem verhindert worden, doch jetzt, so die Rednerin in Anspielung auf die erwarteten Castor–Transporte, „werden wir wieder auf die Straße gehen müssen“. Auch das „Untergrundamt der Freien Republik Wendland“ hat nun zu Behinderung der Castor–Transporte aufgerufen. Regensburg (taz) - Einen sofortigen Baustop der atomaren Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf forderten über 2.000 Menschen in Regensburg. Vier Stunden zogen die AtomkraftgegnerInnen durch die Stadt mit kurzen Kundgebungen vor dem regionalen Energieversorger OBAG, der Polizeidirektion, der oberpfälzischen Bezirksregierung und dem Verwaltungsgericht. Landrat Schulerer warnte vor Politikern, die behaupteten, alles im Griff zu haben: „Nichts haben sie im Griff außer ihrem Geldsack!“ Wie andere RednerInnen forderte er von der Bezirksregierung den sofortigen Baustop für den Schwarzbau in Wackersdorf. Nachdem die neuen „Gauweilerschen Schlägertrupps“ mit Schneebällen beworfen wurden, fackelten diese nicht lange und griffen unter Knüppeleinsatz einen Vermummten aus der Menge. Auf der Schlußkundgebung am Haid–Platz übte ein Redner aus Salzburg Kritik am neuen Sicherheitsbericht für die WAA. Immer wieder wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, noch bis Mitte April gegen den neuen atomrechtlichen Genehmigungsantrag der DWK Einspruch zu erheben. Karaman Essen (dpa) - In Essen, wo sich 1.500 Atomkraftgegner zu einem Protestmarsch formierten, hatte die Polizei 2.000 Beamte, darunter auch Sondereinsatzkommandos, aus ganz Nordrhein–Westfalen zusammengezogen. Nach Angaben der Polizei nahm an der Demonstration auch ein Block von 50 bis 80 „Autonome“ teil. die Polizei war nach eigner Einschätzung auch ohne Vermummungsverbot in der Lage, die Situation unter Kontrolle zu halten.