I N T E R V I E W „Hoffnungslosigkeit macht sich breit“

■ Gloria de Pardo Leal und Jeannethe Bautista, zur Zeit zu Besuch in der BRD, über den schmutzigen Krieg in Kolumbien

Menschenrechtsverletzungen in Lateinamerika. Wer denkt da nicht an Chile, an Diktaturen, an Militärstiefel? Wenn die Anzahl der Ermordeten aber ein Gradmesser für Schreckensherrschaft ist, dann steht Kolumbien mit seiner gewählten Zivilregierung weit schlechter da als manche Militärdiktatur. Zur Zeit reisen zwei kolumbianische Frauen durch die Bundesrepublik, um auf das Drama aufmerksam zu machen, das sich in ihrem Land abspielt: Gloria Flores de Pardo Leal, deren Ehemann, Jaime Pardo Leal, Präsident der legalen Linkspartei „Union Patriotica“ (UP), im letzten Jahr erschossen wurde, und Jeannethe Bautista, Mitglied der ASFADES, des Verbandes der Angehörigen von Gefangenen und Verschwundenen. taz: Gestern erfuhren wir, daß in der Bananenanbauregion Uraba im Nordwesten Kolumbiens 27 gewerkschaftlich engagierte Landarbeiter erschossen wurden. Die UP hat innerhalb von knapp drei Jahren schon über fünfhundert Parteimitglieder durch Todesschwadronen verloren. Mitglieder von Menschenrechtskommissionen werden gekillt. Wer sind diese Todesschwadronen: Militärs, Polizisten, Rechtsextremisten? Jeannethe Bautista: Paramilitärische Gruppen, die von den Großgrundbesitzern, Drogenhändlern, ehemaligen Militärs und Militärs im aktiven Dienst gebildet werden. Die einen bringen das geheimdienstliche Wissen und Logistik für den schmutzigen Krieg ein, die andern das Geld. Obwohl Belagerungszustand herrscht und das Land in einem hohen Maß militarisiert ist, haben diese paramilitärischen Gruppen - nach Angaben der Regierung gibt es davon 138 - offenbar große Bewegungsfreiheit. Gibt es Beweise für die Verwicklung der Militärs? J. B.: In einigen Fällen wurde die Beteiligung von Mitgliedern der Streitkräfte und der Nationalen Polizei nachgewiesen. So etwa im Fall von Marco Zambrano, der am 5. Februar zu Tode gefoltert wurde. Gloria, hat Ihr Mann vor seiner Ermordung Todesdrohungen erhalten? Gloria de Pardo Leal: Ja, täglich kündigten anonyme Anrufer seine Ermordung an. Vor allem, nachdem er eine öffentliche Anzeige gegen Militärs erstattet hatte, die in Verbrechen verwickelt sind. Hat Ihr Mann danach denn irgendwelche Sicherheitsvorkehrungen getroffen? G.de P.L.: Die Regierung besorgte ihm Geleitschutz. Aber Jaime hat nie ernsthaft gedacht, daß die Drohungen wahr gemacht würden. Er dachte, sie würden sich nicht trauen. Er hat zuviel Vertrauen gehabt. Am Tag, als er ermordet wurde, hatte er keine Eskorte, weil Sonntag war. Am Samstag und Sonntag nämlich war er für seine Familie da und er fand, dieses Recht, mit der Familie sein zu dürfen, stehe auch den Leuten seiner Eskorte zu. Wir fuhren im Auto von unserer Finca zurück, als sie ihn dann erschossen. Aber ich will nicht diesen Killern die Schuld geben, das sind arme, kaputte Leute, die für ein bißchen Geld alles machen. Mich interessiert, wer die wirklichen Mörder sind. Wie wirkt sich der schmutzige Krieg in der Gesellschaft aus? G.de P.L.: Es macht sich eine Trostlosigkeit, eine Hoffnungslosigkeit breit. Familien werden zerrissen. Schmerz bei den Zurückgebliebenen. Groll bei den Kindern der Ermordeten. Wunsch nach Rache. Das alles zerstört die Gesellschaft. Interview: Thomas Schmid